assoziation: ein manifest, die empathiefrage oder: "wir müssen lernen, neu zu denken"...
...so heißt es in einem absatz des jüngst veröffentlichten potsdamer manifestes 2005 , auf das ich durch wednesday aufmerksam wurde (an dieser stelle danke dafür ;-). dieses manifest , u.a. initiert und unterschrieben von hans-peter duerr , lässt sich als allgemeine anmerkung zur globalen misere lesen. dem meisten kann ich weitgehend zustimmen, allerdings würde ich mir eine genauere analyse einiger wichtiger punkte wünschen. auszüge:
“Wir erleben eine Eskalation von struktureller Gewalt mit politischen und vor allem wirtschaftlichen Komponenten. Geopolitische, soziokulturell wie ökonomische Machtstrategien, die unbegrenzte Expansion globalisierter Marktwirtschaft und ihrer Produktivitätszwänge bedrohen und zerstören die räumliche und stoffliche Begrenztheit unserer Erde. Die zerstörerischen Auswirkungen einer hemmungslosen und unreflektierten Zivilisation im Zusammenleben der Völker, in den Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Natur und, nicht zuletzt, in den einzelnen Menschen sind offenkundig.“
beispiele für die erscheinungsformen und auswirkungen struktureller gewalt sind hier im blog mittlerweile bereits massiert gesammelt. schauen Sie nur einmal bspw. unter „notizen“ nach.
“Diese vielfältigen Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind und die uns zu überfordern drohen, sind Ausdruck einer geistigen Krise im Verhältnis von uns Menschen zu unserer lebendigen Welt. Sie sind Symptome tiefer liegenden Ursachen, die wir bisher versäumten zu hinterfragen und aufzudecken. Sie hängen eng mit unserem weltweit favorisierten materialistisch-mechanistischen Weltbild und seiner Vorgeschichte zusammen.“
aber hallo. und wer die beiträge hier aufmerksam gelesen hat, besonders zum autismus , hat möglicherweise bereits eine ahnung davon, was sich unter „tiefer liegenden Ursachen“ zumindest meiner meinung nach verbergen könnte. ansonsten wird hier irgendwann auch zukünftig isaac newton als ein wesentlicher „begründer“ des mechanistischen weltbildes thema sein, speziell seine nicht allzu bekannte biographie, die ich sehr aufschlußreich finde.
„Wir müssen lernen, auf neue Weise zu denken.“ Wenn wir diese Forderung radikal ernst nehmen, müssen wir neue oder ungewohnte Wege des Lernens beschreiten. Aus neuer Sicht stellt sich die Welt, die Wirklichkeit, nicht mehr als ein theoretisch geschlossenes System heraus. Dies führt zu einer eingeprägten Unschärfe, die aus der fundamentalen Unauftrennbarkeit resultiert und in einer prinzipiellen Beschränkung des ‚Wissbaren’ zum Ausdruck kommt. Wir sind dadurch gezwungen über die Wirklichkeit, streng genommen, nur in Gleichnissen sprechen zu können. Es gibt prinzipiell nicht mehr auf alle Fragen, die wir aus unserer menschlichen Sicht glauben stellen zu können, Antworten, da diese ins Leere stoßen. Der einzelne Mensch, wie alles Andere auch, bleibt prinzipiell nie isoliert. Er wird im allverbundenen Gemeinsamen in seiner nur scheinbaren Kleinheit zugleich unendlich vielfältig einbezogen und bedeutsam.“
hier würde ich ergänzen wollen: nicht nur neu denken, sondern auch neu – oder vielleicht überhaupt erst - fühlen lernen ist die parole der stunde. und möglicherweise ist sogar bereits die trennung von beidem ein hinweis auf pathologische prozesse solcher art, wie sie dieses blog thematisiert. das ohne gesunde emotionale basis jedenfalls kein vernünftiges denken im menschlichen sinne möglich ist, lässt sich mittlerweile vielfältig belegen.
“In all unserem Handeln wirkt die Vielzahl von Einflüssen und Impulsen anderer Menschen und unserer Geobiosphäre mit, und nicht nur über die durch unsere Sinne vermittelte Brücke materiell-energetischer Wechselwirkungen, sondern auch direkt über die allen gemeinsame immaterielle potenzielle Verbundenheit.“
mit anderen worten: die menschliche welt ist ganz elementar eine beziehungswelt. in der es diverse beziehungskrankheiten gibt.
“Das materialistisch-deterministische Weltbild der klassischen Physik wurde mit seinen starren Vorstellungen und reduktiven Denkweisen zur vorgeblich wissenschaftlich legitimierten Ideologie für große Bereiche des wissenschaftlichen und politisch-strategischen Denkens. Die fortschreitende Gleichschaltung aller Wert- und Wohlstandsvorstellungen, Konsumgewohnheiten und Wirtschaftsstrategien nach dem Muster einer westlich-nordamerikanisch-europäischen Wissensgesellschaft wird weiterhin noch über ein Denken legitimiert, welches auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Fundamente für eine rationale ‚Objektivierbarkeit’ der Wirklichkeit argumentiert. Wo Konflikte auftreten, wird ein Mangel an Verfügungswissen konstatiert, das nachgeliefert werden muss. Nach den Grundlagen der Orientierung wird wenig gefragt, obwohl es Anlass genug dazu gibt.“
ein denken, dessen ergebnisse ich ebenso hier im blog, in gestalt der software und des computers, die ich gerade nutze sowie auch in meinen analyseversuchen selbst verwende, was sich imo bis zu einem bestimmten grad nicht vermeiden lässt. zumindest nicht in diesem medium. anders sieht´s im sogenannten real life aus, wo z.b. künstlerische produktionen jeglicher art wahrscheinlich die gleiche kritik, mit der ich mich hier auf „klassische“ weise beschäftige, sehr viel vielfältiger ausdrücken könnten. anders: sie könnte mehr wahrnehmungskanäle „fluten“, als es das internet aufgrund seiner virtuellen und entkörperlichten struktur zulässt. autismuskritik, um mal bei diesem wort zu bleiben, muss sich folglich auch selbst in der eigenen form einer bestimmten art von rationalem denken kritisieren. („Ein Paradox, ein Paradox, ein wunderschönes Paradox!“ hieß es dazu einmal ganz passend in einem roman von robert anton wilson, wenn mich meine erinnerung gerade nicht total täuschen sollte. aber ich halte paradoxien sowieso für ein ganz zentrales merkmal des menschlichen lebens).
“Die Quantenphysik – und nicht nur sie – fordert uns auf, unser Denken in starren Strukturen grundsätzlich so zu emanzipieren, dass flexible Beziehungen an deren Stelle treten können. Auflockerung und sanfte Auflösung monostruktureller, zentralistischer Konstruktionen, die bevorzugte Ausdrucksformen des materialistisch-mechanistischen Weltbildes sind, werden möglich. Die Vernichtung aller anderen Werte durch den Mechanismus der Märkte, wo machtförmige Stärke absoluten Vorrang fordert vor Entfaltung und Gerechtigkeit, verliert endgültig ihre liberale Legitimation. Im neuen Denken verbindet sich die Fülle unserer Wahrnehmungsvermögen und geistigen Bewegungen; bewußte wie unbewußte Motive für menschliches Denken und Handeln werden gleichermaßen anerkannt. Damit zeichnet sich eine neue evolutionäre Ebene ab, in der eine komplexe, nicht fragmentierte Wirklichkeitswahrnehmung, so etwas wie ‚Ahnung’, das Fundament unseres Denkens, Fühlens und Handelns bildet.“
klingt ja fast wie der in den 1980er jahren viel zitierte physiker fritjof capra, dessen „wendezeit“ ich auch noch zuhause herumstehen habe. und bei dessen namen mein guter freund a., selbst physiker, immer eine leichte krise bekam – von wegen unzulässiger analogschlüsse und so von der ebene der mikrowelt der quanten auf unsere lebenswelt. (@a.: falls du dieses manifest mal liest, würde ich sehr gerne deine meinung dazu hören, gerade was die rückführungen auf die quantenphysik angeht.)
aber im letzten satz oben steht etwas sehr spannendes: „nicht fragmentierte Wirklichkeitswahrnehmung“. hatte ich schon mal erwähnt, dass fragmentierte wirklichkeitswahrnehmung mit fug und recht als ein sehr wesentliches kennzeichen gerade derjenigen psychophysischen störungen angesehen werden darf, die unter dem begriff „beziehungskrankheiten“ summiert werden können? und „ahnung“ darf hier imo ruhig durch „intuition“ ersetzt werden, was ich treffender finde.
“Wir müssen verengte und mechanistische Strategiemuster, Reduktionen, Mittelwertsbildungen fallen lassen und sie ersetzen durch Beweglichkeit, Offenheit und Empathie, um neue offen gestaltbare Schöpfungs- und Handlungsräume zu ermöglichen.“
ohja. aber empathie wie auch geistige und emotionale beweglichkeit/offenheit fallen nicht vom himmel, sozusagen – dazu gleich mehr unten.
“Wenn wir die eskalierenden Probleme betrachten, welche heute die Menschheit belasten, so sind sie im überwiegenden Maße eine Folge extremer Machtballungen und wirtschaftlicher Ungleichheit, dirigiert und forciert von einem lebensfeindlichen finanziellen Netzwerk, das, anstatt das Beziehungsgefüge zwischen den Menschen zu Gunsten der Menschen zu stärken, zum ‚unersättlichen’ Selbstzweck verkommen ist.“
hier möchte ich fragen: ist es wirklich selbstzweck? und wenn ja, in welchem sinne? selbstzweck wörtlich genommen, kann ja auch bedeuten, dass es sich um ein überlebensinteresse handelt, welches eigenschaften hervorbringt, die z.b. vielleicht durch zwanghafte kontrolle von welt und mitmenschen das eigene überleben partiell möglich, ein tatsächlich menschliches leben jedoch durch ihre auswirkungen mittel- und langfristig unmöglich machen.
“Ein neues, doch uns wohl vertrautes Menschenbild wird sichtbar, das von empathischen Menschen ausgeht..“
und hier muss ich einhaken: wie schon gesagt fällt empathie erstens nicht vom himmel, lässt sich zweitens als menschliche wahrnehmungsoption begreifen, die drittens geschädigt sein oder auch ganz ausfallen kann – letzteres eben z.b. bei den krankheiten, die unter dem label „autismus“ geführt werden (und bei einigen als solchen definierten persönlichkeitsstörungen ebenso). es spricht einiges dafür, davon auszugehen, dass unter unseren heutigen lebenbedingungen empathische fähigkeiten eher hinderlich sind – wenn Sie sich die bedingungen einer konkurrenz- bzw. sog. leistungsgesellschaft einmal vor augen führen. und dazu noch dieses: empathie basiert auf körperlich-materiellen grundlagen, jedenfalls nachdem, was wir heute wissen können. einmal wären da die bereits schon öfter genannten spiegelneurone, zum anderen aber auch das hier:
“Wie kann man sich in die Empfindungswelt anderer Personen versetzen? Bisher nahm man an, dass bei diesem Vorgang in unserem Gehirn eine Art Simulation abläuft, sobald wir eine handelnde Person beobachten. Demzufolge sollte die Handlung der beobachteten Person gewissermaßen innerlich imitiert werden. Ein internationales Forscherteam konnte nun hingegen zeigen, dass wir Handlungen anderer Personen offenbar auf der Basis unseres eigenen "Handlungsinventars" nachvollziehen.
Der eigene Geist und der eigene Körper liefern uns also die Grundlage, um zu verstehen, was andere Menschen gerade tun, fühlen oder denken, berichten die Forscher um Simone Bosbach vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in München. „
ich finde ja, dass dieser ansatz das konzept der spiegelneuronen (mit deren maßgeblicher hilfe die erwähnte „simulation“ ablaufen soll) eher unterstützt bzw. ergänzt – die hier thematisierten körperlichen erfahrungen werden im gehirn zu einer vollen gestalt „simuliert“ (ein etwas unglücklicher begriff, weil er sogleich assoziationen zu „fake“ und „täuschung“ hervorruft – aber vielleicht sollte mensch sich klarmachen, dass es hier um eine prozeßbeschreibung geht).
aber woran machen sich die betrffenden körperlichen erfahrungen denn nun fest, was für eine basis besitzen sie? ein anderes wort taucht wieder einmal auf, eines, welches auch schon öfter im blog hier eine rolle gespielt hat und weitgehend unbekannt ist – obgleich wir ohne die damit bezeicheten fähigkeiten nur sehr eingeschränkt lebensfähig sind:
“Beide Patienten berichten, dass sie vor allem zu Beginn ihrer Erkrankung das Gefühl hatten, ihren Körper gänzlich "verloren" zu haben. Zwar haben sie mittlerweile wieder gelernt, einfache Körperbewegungen auszuführen - dabei sind sie jedoch darauf angewiesen, ihren Körper zu sehen.
In der Dunkelheit würden die Patienten dagegen vollständig die Kontrolle über ihren Körper verlieren, weil sie nicht mehr in der Lage sind, mit Hilfe der Sinneszellen in den Gelenken und Muskeln beispielsweise die Position ihrer Arme und Beine relativ zum Körper zu bestimmen.
Wie man den Körper wahrnimmt
Gesunde Menschen können dies dagegen dank der Eigenwahrnehmung ihres Körpers (so genannte propriozeptive Rückmeldungen) problemlos. Die Eigenwahrnehmung vermittelt unserem Gehirn außerdem, wann und in welchem Umfang sich Muskeln zusammenziehen oder strecken und in welchem Ausmaß sich Gelenke beugen oder strecken. Erst dieser Sinn befähigt uns, bestimmte Körperhaltungen einzunehmen, Bewegungen auszuführen und ist entscheidend für das psychologische Bewusstsein, einen Körper zu haben.“
ja, die propriozeptive wahrnehmung hat sich bei mir in der letzten zeit zu einem lieblingsbegriff gemausert – vor allem deswegen, weil die reaktionen darauf immer so vorhersagbar sind: „prop-was?!??“ ich finde ja, wir wissen verdammt wenig darüber, wie wir selbst funktionieren, gerade was unsere sozialen fähigkeiten anbelangt. aber vielleicht gibt es auch gewisse tendenzen und einflüsse, die genau das verhindern (nicht im sinne einer verschwörungstheorie zu verstehen!)
das ergebnis der thematisierten studie jedenfalls wird so zusammengefasst:
“Bewegungsmuster, die im Gehirn aktiviert werden, wenn wir Handlungen einer anderen Person beobachten, enthalten auch Informationen und Wissen über die Funktionsweise unseres eigenen Körpers.
Die Bewegungsmöglichkeiten und -beschränkungen unseres eigenen Körpers sind also die Referenz, von der ausgehend wir die Handlungen anderer Personen verarbeiten und interpretieren.
Anders ausgedrückt: Was wir selbst können, verstehen wir auch bei anderen und umgekehrt, was wir selbst nicht können, verstehen wir auch bei anderen nicht. Rückmeldungen von unserem eigenen Körper tragen also offenbar zu unserem intuitiven Wissen über die Absichten anderer Personen bei.
Auf diese Weise können wir nicht nur Handlungsfolgen vorhersagen, sondern uns sogar in die andere Person "hineinversetzen". Ein solcher Mechanismus ist die Basis für Mitgefühl und Empathie und somit entscheidend für das Gelingen und Fortbestehen sozialer Beziehungen.“
ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich die autoren des „manifestes“ einmal mit diesen grundlagen genauer beschäftigen würden – auch, wenn ich die von ihnen eingeschlagene richtung für positiv halte. aber mit ein wenig psychiatrisch-neurologischem wissen könnten sie die von ihnen thematisierten entwicklungen noch einmal viel differenzierter begreifen und benennen. diesen schluß traue ich mir durchaus zu.
“Wir erleben eine Eskalation von struktureller Gewalt mit politischen und vor allem wirtschaftlichen Komponenten. Geopolitische, soziokulturell wie ökonomische Machtstrategien, die unbegrenzte Expansion globalisierter Marktwirtschaft und ihrer Produktivitätszwänge bedrohen und zerstören die räumliche und stoffliche Begrenztheit unserer Erde. Die zerstörerischen Auswirkungen einer hemmungslosen und unreflektierten Zivilisation im Zusammenleben der Völker, in den Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Natur und, nicht zuletzt, in den einzelnen Menschen sind offenkundig.“
beispiele für die erscheinungsformen und auswirkungen struktureller gewalt sind hier im blog mittlerweile bereits massiert gesammelt. schauen Sie nur einmal bspw. unter „notizen“ nach.
“Diese vielfältigen Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind und die uns zu überfordern drohen, sind Ausdruck einer geistigen Krise im Verhältnis von uns Menschen zu unserer lebendigen Welt. Sie sind Symptome tiefer liegenden Ursachen, die wir bisher versäumten zu hinterfragen und aufzudecken. Sie hängen eng mit unserem weltweit favorisierten materialistisch-mechanistischen Weltbild und seiner Vorgeschichte zusammen.“
aber hallo. und wer die beiträge hier aufmerksam gelesen hat, besonders zum autismus , hat möglicherweise bereits eine ahnung davon, was sich unter „tiefer liegenden Ursachen“ zumindest meiner meinung nach verbergen könnte. ansonsten wird hier irgendwann auch zukünftig isaac newton als ein wesentlicher „begründer“ des mechanistischen weltbildes thema sein, speziell seine nicht allzu bekannte biographie, die ich sehr aufschlußreich finde.
„Wir müssen lernen, auf neue Weise zu denken.“ Wenn wir diese Forderung radikal ernst nehmen, müssen wir neue oder ungewohnte Wege des Lernens beschreiten. Aus neuer Sicht stellt sich die Welt, die Wirklichkeit, nicht mehr als ein theoretisch geschlossenes System heraus. Dies führt zu einer eingeprägten Unschärfe, die aus der fundamentalen Unauftrennbarkeit resultiert und in einer prinzipiellen Beschränkung des ‚Wissbaren’ zum Ausdruck kommt. Wir sind dadurch gezwungen über die Wirklichkeit, streng genommen, nur in Gleichnissen sprechen zu können. Es gibt prinzipiell nicht mehr auf alle Fragen, die wir aus unserer menschlichen Sicht glauben stellen zu können, Antworten, da diese ins Leere stoßen. Der einzelne Mensch, wie alles Andere auch, bleibt prinzipiell nie isoliert. Er wird im allverbundenen Gemeinsamen in seiner nur scheinbaren Kleinheit zugleich unendlich vielfältig einbezogen und bedeutsam.“
hier würde ich ergänzen wollen: nicht nur neu denken, sondern auch neu – oder vielleicht überhaupt erst - fühlen lernen ist die parole der stunde. und möglicherweise ist sogar bereits die trennung von beidem ein hinweis auf pathologische prozesse solcher art, wie sie dieses blog thematisiert. das ohne gesunde emotionale basis jedenfalls kein vernünftiges denken im menschlichen sinne möglich ist, lässt sich mittlerweile vielfältig belegen.
“In all unserem Handeln wirkt die Vielzahl von Einflüssen und Impulsen anderer Menschen und unserer Geobiosphäre mit, und nicht nur über die durch unsere Sinne vermittelte Brücke materiell-energetischer Wechselwirkungen, sondern auch direkt über die allen gemeinsame immaterielle potenzielle Verbundenheit.“
mit anderen worten: die menschliche welt ist ganz elementar eine beziehungswelt. in der es diverse beziehungskrankheiten gibt.
“Das materialistisch-deterministische Weltbild der klassischen Physik wurde mit seinen starren Vorstellungen und reduktiven Denkweisen zur vorgeblich wissenschaftlich legitimierten Ideologie für große Bereiche des wissenschaftlichen und politisch-strategischen Denkens. Die fortschreitende Gleichschaltung aller Wert- und Wohlstandsvorstellungen, Konsumgewohnheiten und Wirtschaftsstrategien nach dem Muster einer westlich-nordamerikanisch-europäischen Wissensgesellschaft wird weiterhin noch über ein Denken legitimiert, welches auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Fundamente für eine rationale ‚Objektivierbarkeit’ der Wirklichkeit argumentiert. Wo Konflikte auftreten, wird ein Mangel an Verfügungswissen konstatiert, das nachgeliefert werden muss. Nach den Grundlagen der Orientierung wird wenig gefragt, obwohl es Anlass genug dazu gibt.“
ein denken, dessen ergebnisse ich ebenso hier im blog, in gestalt der software und des computers, die ich gerade nutze sowie auch in meinen analyseversuchen selbst verwende, was sich imo bis zu einem bestimmten grad nicht vermeiden lässt. zumindest nicht in diesem medium. anders sieht´s im sogenannten real life aus, wo z.b. künstlerische produktionen jeglicher art wahrscheinlich die gleiche kritik, mit der ich mich hier auf „klassische“ weise beschäftige, sehr viel vielfältiger ausdrücken könnten. anders: sie könnte mehr wahrnehmungskanäle „fluten“, als es das internet aufgrund seiner virtuellen und entkörperlichten struktur zulässt. autismuskritik, um mal bei diesem wort zu bleiben, muss sich folglich auch selbst in der eigenen form einer bestimmten art von rationalem denken kritisieren. („Ein Paradox, ein Paradox, ein wunderschönes Paradox!“ hieß es dazu einmal ganz passend in einem roman von robert anton wilson, wenn mich meine erinnerung gerade nicht total täuschen sollte. aber ich halte paradoxien sowieso für ein ganz zentrales merkmal des menschlichen lebens).
“Die Quantenphysik – und nicht nur sie – fordert uns auf, unser Denken in starren Strukturen grundsätzlich so zu emanzipieren, dass flexible Beziehungen an deren Stelle treten können. Auflockerung und sanfte Auflösung monostruktureller, zentralistischer Konstruktionen, die bevorzugte Ausdrucksformen des materialistisch-mechanistischen Weltbildes sind, werden möglich. Die Vernichtung aller anderen Werte durch den Mechanismus der Märkte, wo machtförmige Stärke absoluten Vorrang fordert vor Entfaltung und Gerechtigkeit, verliert endgültig ihre liberale Legitimation. Im neuen Denken verbindet sich die Fülle unserer Wahrnehmungsvermögen und geistigen Bewegungen; bewußte wie unbewußte Motive für menschliches Denken und Handeln werden gleichermaßen anerkannt. Damit zeichnet sich eine neue evolutionäre Ebene ab, in der eine komplexe, nicht fragmentierte Wirklichkeitswahrnehmung, so etwas wie ‚Ahnung’, das Fundament unseres Denkens, Fühlens und Handelns bildet.“
klingt ja fast wie der in den 1980er jahren viel zitierte physiker fritjof capra, dessen „wendezeit“ ich auch noch zuhause herumstehen habe. und bei dessen namen mein guter freund a., selbst physiker, immer eine leichte krise bekam – von wegen unzulässiger analogschlüsse und so von der ebene der mikrowelt der quanten auf unsere lebenswelt. (@a.: falls du dieses manifest mal liest, würde ich sehr gerne deine meinung dazu hören, gerade was die rückführungen auf die quantenphysik angeht.)
aber im letzten satz oben steht etwas sehr spannendes: „nicht fragmentierte Wirklichkeitswahrnehmung“. hatte ich schon mal erwähnt, dass fragmentierte wirklichkeitswahrnehmung mit fug und recht als ein sehr wesentliches kennzeichen gerade derjenigen psychophysischen störungen angesehen werden darf, die unter dem begriff „beziehungskrankheiten“ summiert werden können? und „ahnung“ darf hier imo ruhig durch „intuition“ ersetzt werden, was ich treffender finde.
“Wir müssen verengte und mechanistische Strategiemuster, Reduktionen, Mittelwertsbildungen fallen lassen und sie ersetzen durch Beweglichkeit, Offenheit und Empathie, um neue offen gestaltbare Schöpfungs- und Handlungsräume zu ermöglichen.“
ohja. aber empathie wie auch geistige und emotionale beweglichkeit/offenheit fallen nicht vom himmel, sozusagen – dazu gleich mehr unten.
“Wenn wir die eskalierenden Probleme betrachten, welche heute die Menschheit belasten, so sind sie im überwiegenden Maße eine Folge extremer Machtballungen und wirtschaftlicher Ungleichheit, dirigiert und forciert von einem lebensfeindlichen finanziellen Netzwerk, das, anstatt das Beziehungsgefüge zwischen den Menschen zu Gunsten der Menschen zu stärken, zum ‚unersättlichen’ Selbstzweck verkommen ist.“
hier möchte ich fragen: ist es wirklich selbstzweck? und wenn ja, in welchem sinne? selbstzweck wörtlich genommen, kann ja auch bedeuten, dass es sich um ein überlebensinteresse handelt, welches eigenschaften hervorbringt, die z.b. vielleicht durch zwanghafte kontrolle von welt und mitmenschen das eigene überleben partiell möglich, ein tatsächlich menschliches leben jedoch durch ihre auswirkungen mittel- und langfristig unmöglich machen.
“Ein neues, doch uns wohl vertrautes Menschenbild wird sichtbar, das von empathischen Menschen ausgeht..“
und hier muss ich einhaken: wie schon gesagt fällt empathie erstens nicht vom himmel, lässt sich zweitens als menschliche wahrnehmungsoption begreifen, die drittens geschädigt sein oder auch ganz ausfallen kann – letzteres eben z.b. bei den krankheiten, die unter dem label „autismus“ geführt werden (und bei einigen als solchen definierten persönlichkeitsstörungen ebenso). es spricht einiges dafür, davon auszugehen, dass unter unseren heutigen lebenbedingungen empathische fähigkeiten eher hinderlich sind – wenn Sie sich die bedingungen einer konkurrenz- bzw. sog. leistungsgesellschaft einmal vor augen führen. und dazu noch dieses: empathie basiert auf körperlich-materiellen grundlagen, jedenfalls nachdem, was wir heute wissen können. einmal wären da die bereits schon öfter genannten spiegelneurone, zum anderen aber auch das hier:
“Wie kann man sich in die Empfindungswelt anderer Personen versetzen? Bisher nahm man an, dass bei diesem Vorgang in unserem Gehirn eine Art Simulation abläuft, sobald wir eine handelnde Person beobachten. Demzufolge sollte die Handlung der beobachteten Person gewissermaßen innerlich imitiert werden. Ein internationales Forscherteam konnte nun hingegen zeigen, dass wir Handlungen anderer Personen offenbar auf der Basis unseres eigenen "Handlungsinventars" nachvollziehen.
Der eigene Geist und der eigene Körper liefern uns also die Grundlage, um zu verstehen, was andere Menschen gerade tun, fühlen oder denken, berichten die Forscher um Simone Bosbach vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in München. „
ich finde ja, dass dieser ansatz das konzept der spiegelneuronen (mit deren maßgeblicher hilfe die erwähnte „simulation“ ablaufen soll) eher unterstützt bzw. ergänzt – die hier thematisierten körperlichen erfahrungen werden im gehirn zu einer vollen gestalt „simuliert“ (ein etwas unglücklicher begriff, weil er sogleich assoziationen zu „fake“ und „täuschung“ hervorruft – aber vielleicht sollte mensch sich klarmachen, dass es hier um eine prozeßbeschreibung geht).
aber woran machen sich die betrffenden körperlichen erfahrungen denn nun fest, was für eine basis besitzen sie? ein anderes wort taucht wieder einmal auf, eines, welches auch schon öfter im blog hier eine rolle gespielt hat und weitgehend unbekannt ist – obgleich wir ohne die damit bezeicheten fähigkeiten nur sehr eingeschränkt lebensfähig sind:
“Beide Patienten berichten, dass sie vor allem zu Beginn ihrer Erkrankung das Gefühl hatten, ihren Körper gänzlich "verloren" zu haben. Zwar haben sie mittlerweile wieder gelernt, einfache Körperbewegungen auszuführen - dabei sind sie jedoch darauf angewiesen, ihren Körper zu sehen.
In der Dunkelheit würden die Patienten dagegen vollständig die Kontrolle über ihren Körper verlieren, weil sie nicht mehr in der Lage sind, mit Hilfe der Sinneszellen in den Gelenken und Muskeln beispielsweise die Position ihrer Arme und Beine relativ zum Körper zu bestimmen.
Wie man den Körper wahrnimmt
Gesunde Menschen können dies dagegen dank der Eigenwahrnehmung ihres Körpers (so genannte propriozeptive Rückmeldungen) problemlos. Die Eigenwahrnehmung vermittelt unserem Gehirn außerdem, wann und in welchem Umfang sich Muskeln zusammenziehen oder strecken und in welchem Ausmaß sich Gelenke beugen oder strecken. Erst dieser Sinn befähigt uns, bestimmte Körperhaltungen einzunehmen, Bewegungen auszuführen und ist entscheidend für das psychologische Bewusstsein, einen Körper zu haben.“
ja, die propriozeptive wahrnehmung hat sich bei mir in der letzten zeit zu einem lieblingsbegriff gemausert – vor allem deswegen, weil die reaktionen darauf immer so vorhersagbar sind: „prop-was?!??“ ich finde ja, wir wissen verdammt wenig darüber, wie wir selbst funktionieren, gerade was unsere sozialen fähigkeiten anbelangt. aber vielleicht gibt es auch gewisse tendenzen und einflüsse, die genau das verhindern (nicht im sinne einer verschwörungstheorie zu verstehen!)
das ergebnis der thematisierten studie jedenfalls wird so zusammengefasst:
“Bewegungsmuster, die im Gehirn aktiviert werden, wenn wir Handlungen einer anderen Person beobachten, enthalten auch Informationen und Wissen über die Funktionsweise unseres eigenen Körpers.
Die Bewegungsmöglichkeiten und -beschränkungen unseres eigenen Körpers sind also die Referenz, von der ausgehend wir die Handlungen anderer Personen verarbeiten und interpretieren.
Anders ausgedrückt: Was wir selbst können, verstehen wir auch bei anderen und umgekehrt, was wir selbst nicht können, verstehen wir auch bei anderen nicht. Rückmeldungen von unserem eigenen Körper tragen also offenbar zu unserem intuitiven Wissen über die Absichten anderer Personen bei.
Auf diese Weise können wir nicht nur Handlungsfolgen vorhersagen, sondern uns sogar in die andere Person "hineinversetzen". Ein solcher Mechanismus ist die Basis für Mitgefühl und Empathie und somit entscheidend für das Gelingen und Fortbestehen sozialer Beziehungen.“
ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich die autoren des „manifestes“ einmal mit diesen grundlagen genauer beschäftigen würden – auch, wenn ich die von ihnen eingeschlagene richtung für positiv halte. aber mit ein wenig psychiatrisch-neurologischem wissen könnten sie die von ihnen thematisierten entwicklungen noch einmal viel differenzierter begreifen und benennen. diesen schluß traue ich mir durchaus zu.
monoma - 17. Okt, 20:32