notizen
Mittwoch, 7. September 2005
...möchte ich loswerden: und zwar die seite(n) zur psychosozialen gesundheit von volker faust. eine der imo recht wenigen themenspezifischen netzseiten, auf denen auch versucht wird, über den engen psychiatrisch-medizinischen tellerrand herauszuschauen. so z.b. in artikeln zu themen wie folter und ihre folgen, macht und seelische störung, amok, genie und seelische störung oder auch die frage, ob wir womöglich im zeitalter der manie? leben. das stöbern lohnt sich, und es finden sich auch zum thema persönlichkeitsstörungen eine menge informationen und daten. ich gehe dabei - wen wundert das? - nicht mit allen und jeder seiner positionen konform, finde aber die ganze seite im besten sinn des wortes sehr anregend.
Freitag, 2. September 2005
...schreibt laut einer presseschau die New York Times.
kann in solchen gedanken tatsächlich ein wahrer kern sein?
andererseits stehen in diesem blog auch taten der mumien, monstren, mutationen, die uns "regieren", die für einen naiven beobachter ebenso unglaublich sind - nichtsdestotrotz aber realität darstellen. hm.
edit: okay...
"Doch an der "Katastrophe nach der Katastrophe" ist nicht allein der amerikanische Präsident Schuld. "Individuelle Traumata" seien durch Verletzungen, Tod von Angehörigen, Hunger und Durst entstanden. Diese pure Verzweiflung über die anscheinend aussichtslose Lage bringe Menschen dazu, Rettungsmannschaften, Krankenhäuser oder Touristen zu überfallen, so Wenzel. Dann noch der Mangel an sichtbaren Helden. "Die Plünderungen durch Polizisten sind ein Freibrief für alle anderen und das beste Indiz für den Zusammenbruch jeglicher gesellschaftlicher Ordnung", stellt der Forscher fest.
Die Zahl der Toten durch "Katrina" wird von amerikanischen Behörden mittlerweile auf mehrere Tausend geschätzt. "Ein Zurück in den gewohnten Alltag wird auf Jahre nicht möglich sein", warnt der Soziologe. Keine Region, kein Land kann die fast 500.000 Obdach- und Arbeitslosen aus New Orleans ohne weiteres verkraften. "Wie nach dem 11. September 2001 entsteht in den USA gerade ein neues kollektives Trauma", sagt Wenzel. Das Trauma heißt "Katrina".
Die Ursachen für die anarchischen Zustände in New Orleans gehen Harald Wenzel zufolge jedoch noch tiefer. Schwere Vorwürfe sind das. "Die rücksichtslose Politik der USA gegenüber Unterprivilegierten und die jahrelange Segregation der Menschen in Armenviertel" hätten dafür gesorgt, dass bereits vor 'Katrina" der soziale Kit der Gesellschaft weggespült wurde."
nachvollziehbar, wie ich finde - aber zum ende dieses artikels kommt eine dieser informationen, die sich kaum jemals in einem geschichtsbuch finden lassen:
"Für den Mangel an Vertrauen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen gibt es in den USA historische Belege. "Man denke nur an Waffenfreiheit, die Sklaverei, die Indianerkriege, die Trennung in Arm und Reich.", sagt Wenzel. In New Orleans existiert zudem ein historisches Ereignis mit aktuellem Bezug. 1927 trat der Mississippi über die Ufer, doch die Dämme bei New Orleans hielten das Schlimmste ab. Die weiße Oberschicht aber - Banker und Großindustrielle - ließen die Dämme bei New Orleans so gezielt sprengen, dass das Wasser die Armenviertel überflutete. Die reicheren Gegenden wurden verschont. Während 10.000 Afro-Amerikaner festsaßen, fuhren die Banker und Industriellen auf Mississippi-Dampfern unter Klängen von "Bye Bye Blackbird" davon. Das kollektive Gedächtnis der Armen war um eine Demütigung reicher - mancher wird sich heute im Süden der USA wieder daran erinnern."
wer sich dazu noch an den bericht der krisengebietsreporterin heute in der tagesschau um acht erinnert (ist über tagesschau.de noch online zu sehen), die regelrecht empört von einer kompletten inszenierung für die presse im zuge des besuches von bush gesprochen hat - auf einmal waren ausreichend hilfskräfte an einem ort, an dem es für sie eigentlich nichts mehr zu tun gab (sollen wir das unter "als -ob-katastrophenhilfe" führen?) - wer sich das also alles so anschaut, wird sich hoffentlich so seine/ihre eigenen gedanken machen.
Samstag, 27. August 2005
...ist nicht aufgehoben – ein satz, der sich auf die im letzten beitrag hier versprochene definition des begriffs autismus bezieht – es ist einfach so, dass es gerade nicht ganz einfach ist, diverses material, welches ich in dem zusammenhang gerne nutzen würde, über einen öffentlichen zugang ins netz zu bekommen - erst recht dann, wenn eine eigentlich geplante scan-session bei einem freund aus verschiedenen gründen nicht zum erfolg führt. das bedeutet tipparbeit. von daher also muß ich Sie noch einmal etwas um geduld bitten. gefällt mir selbst nicht so recht, weil ich schlecht einschätzen kann, wieweit für die leserInnen hier die inhalte ohne bestimmte (primär psychiatrische) hintergrundkenntnisse überhaupt sinn machen. ich hoffe aber, dass bisher zumindest aufgrund der bisherigen beiträge eine tendenz klargeworden ist, um was es mir hier eigentlich geht.
*
ich schaue schon seit längerer zeit nur noch sehr sporadisch tv, besitze kein eigenes gerät mehr, und manchmal ergibt sich zufällig woanders eine art fernsehabend – so wie letzten donnerstag. unabhängig von irgendwelchen inhalten fällt mir dabei – gerade durch die großen abstände bedingt – von mal zu mal mehr auf, wie rasant sich eigentlich stil und inhalte des programms in den letzten jahren geändert haben – alles, selbst die nachrichten im sog. öffentlich-rechtlichen programm, hat einen touch von event bekommen, bei dem es – zumindest teilweise – offensichtlich darum geht, bei den konsumentInnen bestimmte reaktionen zu erzeugen. das dürfte nun bei der nutzung der medien nichts grundsätzlich neues sein, aber was mich überrascht, ist die totalität, mit der sich das durchgesetzt hat. gerade, wenn ich mich an meine eigene tv-sozialisation in den 1970er jahren mit drei programmen, sendeschluß und testbild erinnere. die beschleunigung und hektik, die sowohl die bilder als auch die inhalte im vergleich zu „damals“ befallen hat, ist atemberaubend im wortwörtlichen sinne.
aber darum geht es mir nicht in erster linie, sondern um das, was sich da als relativ zufällig programmabfolge ergeben hat. einmal gab´s da das politmagazin „panorama“, welches neben einem bedrückenden bericht über folter bei der us.army auch zur alltäglichen abschiebepraxis in deutschland einen bericht präsentierte, der es in sich hatte – und hier meine ich vor allem ein interview mit einem der für abschiebungen verantwortlichen beamten:
„(...) Gegen die Abschiebung der Mutter von Amina und Nura gab es keine rechtlichen Bedenken, meinte die Ausländerbehörde Hildesheim. Die Töchter und der Vater waren noch geschützt durch ein laufendes Verfahren. Kurzerhand riss die Polizei die Familie auseinander und nahm nur die Mutter mit.
(...)
O-Ton
Burkard Berndt,
Kreisrat Landkreis Hildesheim:
„Im Augenblick des Zugriffs ist erst den Behörden vor Ort bewusst geworden, dass die Familie komplett so nicht abgeschoben werden kann. Das ist eine Situation, die uns auch nicht sehr angenehm ist, aber wir sahen dann in der Situation keine andere Möglichkeit, um die Rechtslage durchzusetzen.“
PANORAMA:
„Sie hätten von der Abschiebung ganz absehen können.“
O-Ton
Burkard Berndt,
Kreisrat Landkreis Hildesheim:
„Das sehe ich jetzt so nicht.“
(...)
PANORAMA:
„Heißen Sie die Entscheidung gut, persönlich?“
O-Ton
Burkhardt Berndt,
Kreisrat Hildesheim, CDU:
„Also........das,....das kann man so nicht... also, das... Da muten Sie mir jetzt zu viel zu, dazu eine öffentliche Stellungnahme abzugeben.“
(...)
leider lassen sich hier die zugehörigen bilder nicht wiedergeben. auf die letzte oben dokumentierte frage folgte die antwort mitnichten sofort, sondern der beamte wurde etwa für eine sprachlose, aber dennoch ausdrucksvolle minute mit einem minen- und gestikspiel gezeigt, welches einfach beeindruckend war. er hat sich regelrecht gewunden wie eine qualle. und bei mir die frage ausgelöst, wodurch sich solche beamte eigentlich – mal abgesehen vom outfit – von ihren ebenso pflichtgetreuen vorgängern im nationalsozialismus unterscheiden. das aus deutschland heute immer wieder menschen in ihren sicheren tod abgeschoben werden (und in der regel in eine elende lebenssituation), lässt sich u.a. in den veröffentlichungen von amnesty international, pro asyl und diversen antirassistischen initiativen nachlesen.
als nächste frage steht dann allerdings an: wo unterscheiden wir uns eigentlich, liebe leserin und lieber leser, von der bevölkerung des nationalsozialistischen deutschlands in dieser frage, wenn es z.b. um deportationen geht? böse und polemische frage, ich weiß. aber wir können uns definitiv nicht mit „ich habe nichts davon gewußt“ herausreden.
ein ehemaliger cdu-bundesminister, dem ich solches gar nicht zugetraut hätte – aber das alter macht menschen (manchmal) mild und human:
O-Ton
Christian Schwarz-Schilling, CDU,
Minister a.D.:
„Ich bin sehr enttäuscht, wie wenig sensibel wir aus unserer Geschichte gelernt haben – wir haben die schlimmsten Vertreibungen erlebt in Deutschland, wir haben die schlimmsten Holocaust-Ereignisse in Deutschland erlebt, warum ziehen wir so wenig Lehren aus unserer eigenen Geschichte.“
eine möglichkeit der antwort: es braucht bestimmte wahrnehmungsfähigkeiten, um derartiges staatliches antisoziales verhalten überhaupt als solches wahrnehmen zu können. sich die geschichte speziell dieses landes zu betrachten, heisst auch, einen einblick in die empathiefähigkeiten unserer vorfahren zu bekommen. weit her scheint´s damit bekanntlich nicht gewesen zu sein. und leider scheint dieser zustand noch anzudauern.
*
beim stöbern im buchladen neulich auf den zugegebenermaßen reisserischen titel "Asoziale Marktwirtschaft" aufmerksam geworden. nicht unbedingt eine generelle kritik am westlichen kapitalismus, eher wird eine art von mentalität bei großen konzernen als „asozial“ bezeichnet, welche sich – aus sicht der autoren – primär daran festmachen lässt, wie große unternehmen ganz „legal“ mehr und mehr bspw. um ihre steuerpflichten herumkommen. investigativer journalismus im wallraffstil (einige werden sich daran bestimmt noch erinnern können). als materialsammlung kann ich es unter vorbehalt (ich habe es nur einmal länger durchgeschaut) empfehlen. im vorwort ist u.a. zu lesen:
„Was wir herausgefunden haben, lässt sich auf den einfachen Satz bringen: Die Konzerne plündern den Staat aus, auf jede nur erdenkliche Art und Weise – immer gedeckt durch die Gesetze.
Das ist das wirklich Erschreckende: Alles, was die Konzerne tun, ist juristisch erlaubt, kein Trick ist wirklich illegal. Schuld daran ist eine Politik, die sich den Konzernen andient und ihnen all dies ermöglicht; häufig durchaus gewollt, manchmal als Ergebnis „handwerklicher Fehler“, oft aber auch deshalb, weil die Konzerne über die raffinierteren Berater und auch mehr Macht verfügen als die Politik.“
eine art populäre, klassisch sozialdemokratische wirtschaftskritik also, die das sog. primat der politik („des staates“) gegenüber der wirtschaft betont, sachlich nicht unbedingt falsch ist, jedoch in meinen augen die grundlagen des desasters zuverlässig und permanent ausblendet. ich hänge als ergänzung mal ein kleine passage aus dem bereits mehrfach erwähnten buch „borderline...“ von j.e. mertz (siehe literaturliste) an das obige zitat:
„Das geschriebene Gesetz ist ohnehin nur ein prothetisches Surrogat, als solches kann es das antisoziale Phänomen in (...) relevanter Weise nicht definieren. Das reale antisoziale Phänomen setzt beim authentischen Defekt oder Defizit an und muß keineswegs die Grenzen des geschriebenen Gesetzes übertreten. Reale Antisozialität kann sogar die geschriebenen bzw. praktizierten Gesetze dahingehend verändern, daß gewisse extrem antisoziale Aktionen zur Norm erklärt werden und eindeutig (authentisch) prosoziale Aktionen als Verbrechen erscheinen.“
(S.225)
muß dem noch etwas hinzugefügt werden? alle, die auch nur einen hauch von wissen über die jüngere geschichte besitzen, können ohne schwierigkeiten mit etlichen beispielen die obige these füllen. das möchte ich mir an dieser stelle sparen.
*
aber trotzdem passend dazu noch auf das "Schwarzbuch Markenfirmen" aufmerksam machen:
Markenfirmen wie Adidas, Coca-Cola, McDonald's, Mercedes, Nestlé und Siemens setzen die Trends in der Konsumindustrie. Sie diktieren Modeströmungen genauso wie internationale Vereinbarungen. Ihre Konzernumsätze übertreffen die Wirtschaftskraft zahlreicher Länder. Ihr Einfluss ist teilweise größer als der von Regierungen und politischen Institutionen. Der Wert einer Marke - und damit die Macht der Konzerne - misst sich längst nicht mehr am gehandelten Produkt, sondern an dessen Image: Der Aspirin-Hersteller Bayer wirbt mit »Kompetenz und Verantwortung«, Shell rühmt sich für seine ökologische und soziale Vorreiterrolle und Nike sieht sich als »Corporate Citizen«, der liebevoll für die »weltweite Nike-Familie aus Sportlern, Konsumenten und jenen, die für uns arbeiten« sorgt.
»Die für uns arbeiten«, das sind immer öfter Menschen aus den Billiglohnländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Ausbeutung, Zwangs- und Kinderarbeit sind dort an der Tagesordnung. Menschen und Lebensräume werden vergiftet, Regierungen erpresst, Krisen und bewaffnete Konflikte ungeniert ausgenützt oder sogar finanziert. Bekannte und beliebte Weltmarken tolerieren Folter, Sklaverei, unerlaubte Medikamentenversuche, Diskriminierung, Tierquälerei, Umweltzerstörung und die Verfolgung von Gewerkschaften und Kritikern.“
erinnern Sie sich? auf der angegebenen homepage des buches lohnt es sich übrigens, einmal auf die ganzen firmenlogos zu klicken.
Montag, 22. August 2005
...werde ich hoffentlich soweit sein, den begriff autismus, wie er hier in diesem blog verwendet wird, für die leserInnen genauer zu definieren und das zu begründen. ebenso wird sich dadurch die thematisierung diverser anderer psychiatrischer diagnosen hier klären. ich bitte um etwas geduld.
*
ein nachtrag noch einer etwas älteren geschichte aus dem juni, die sich im kontext von kindermord/-misshandlung durch die eigenen eltern bewegt. einiges spricht dabei dafür, sie in einem ähnlichen kontext zu sehen wie die ereignisse, die in der mitte dieses beitrages thematisiert worden sind. auszüge:
"Das Mädchen kam den Ermittlungen zufolge durch Misshandlungen ums Leben. Und niemand hatte das Kind vermisst - beinahe ein Jahr lang."
(...)
"Die Ermittler sehen den 33-jährigen Stiefvater als Hauptverdächtigen an. Der Haftbefehl gegen ihn lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge und Kindesmisshandlung. Gegen die Mutter des Mädchens erging Haftbefehl wegen Kindesmisshandlung.
Den Ermittlungen der Polizei zufolge hatten die Mutter und ihr neuer Lebensgefährte das Leben der Vierjährigen zur Qual gemacht, als das Paar ein gemeinsames Kind bekam. "Es gab sehr viele Schläge, sehr viele Verbote. Und in den letzten Monaten durfte Nathalie die Wohnung wohl gar nicht mehr verlassen", berichtete der Leiter der Mordkommission Fritz Siepmann heute."
derartige geschichten haben wir nicht nur in diesem jahr schon häufiger lesen müssen. und die ganzen scheußlichen details lassen sich im originalbericht nachlesen. eines dieser details aber scheint bei diesen eltern so auffällig gewesen zu sein, dass es ausdrücklich erwähnung findet:
"Es fehlt beiden offensichtlich jedes Schuldbewusstsein wegen der Misshandlung", sagte Siepmann. Beide wirkten bei der Vernehmung sachlich und kühl."
machen Sie sich selbst Ihren reim darauf.
Donnerstag, 18. August 2005
zum bereits öfter erwähnten themenkomplex der soziopathischen unternehmen ein interview mit einem wirtschaftspsychologen aus dem wiener standard : sind unternehmen unmoralisch?
im weiteren sinne zum thema auch ein artikel aus der frankfurter allgemeinen mit dem recht bemerkenswerten titel "gefühlskalte menschen sind die besseren investoren", wo u.a. zu lesen ist:
"Das Feld der sogenannten Neurowirtschaftswissenschaft (Neuroeconomics) verbindet Erkenntnisse der Neurologie, der Psychologie und der Ökonomie, um die Rolle der Biologie bei wirtschaftlichen Entscheidungen zu untersuchen. Das interdisziplinäre Feld hat bereits das Interesse der Wall Street geweckt. "Dieser Zweig der wirtschaftlichen Forschung stärkt unser Verständnis von Anlegerverhalten", sagt David Darst, Chefanlagestratege bei der Privatanlegersparte der Investmentbank Morgan Stanley. "Er beginnt unsere taktischen Entscheidungen zu beeinflussen."
wie und in welcher hinsicht, frage ich mich bei letzterer aussage.
(das thema könnte einigen schon von spon bekannt sein, die hatten dafür den treffenden aufmacher "bessere rendite dank hirnschaden". tja, ob wir das wirklich so toll finden sollen?)
ebenfalls lesenswert ein vor kurzem erschienener artikel in der süddeutschen zeitung über fehldiagnosen in der psychiatrie. dieses thema ist ein besonders schwerer brocken, wenn´s darum geht zu begreifen, ob und wie zustände, die als psychisch krank definiert werden (wobei diese definitionen eben auch niemals wertfrei sind), möglicherweise sowohl spiegelungen gesellschaftlicher prozesse als auch ihrerseits selbst auslöser selbiger sein können. die psychiatrie hat dabei mit einem ganz entscheidenden problem zu tun, besonders vor dem hintergrund ihrer langen bemühungen um offizielle anerkennung als medizinische und damit "wissenschaftliche" disziplin:
"Gaebel hält Fehldiagnosen für ein tiefsitzendes Problem in der Psychiatrie. Denn während sich körperliche Krankheiten objektiv messen lassen, sind Seelenärzte auf ihren persönlichen Eindruck angewiesen. "Einen Knochenbruch erkennt man auf einem Röntgenbild und Diabetes am Blutzuckerspiegel", sagt Gaebel. Psychische Störungen aber müssten vor allem durch Beobachten und Zuhören erkannt werden."
der ärgerliche sog. subjektive faktor - tja, der wird noch eine gewaltige rolle in diesem blog spielen. und damit bin ich auch bei einer vorschau in eigener sache: es scheint mir nötig, nochmals genauer auf diverse diagnosen - vor allem die, die schon hier gelistet sind - einzugehen. vor allem möchte ich bestimmte eigenarten dieser diagnosen deutlich machen, und dabei komprimiert bisherige erkenntnisse zusammenfassen. ich weiß ehrlich gesagt bloß nicht, ob mir das in genügender weise gelingen wird - wer sich schon mal näher mit dieser materie beschäftigt hat, kennt die enormen verwirrungen an begriffen, konzepten, und teils völlig widersprüchlichen theoretischen ansätzen. ich werde hier wahrscheinlich bloß fragmentarische auschnitte zeigen können.
so wie z.b. in diesem thread eines öffentlich zugänglichen forums für partnerInnen und angehörige von menschen mit borderline-diagnosen. was dort zu lesen ist, sind "nur" subjektive beobachtungen, die ich persönlich allerdings für sehr relevant halte - und die im "offiziellen" wissenschaftlichen mainstream zu borderline wenn überhaupt, dann nur als beiläufige und unkommentierte beobachtungen auftauchen.
by the way: die linkliste wurde um ein paar themenspezifische und öffentlich zugängliche foren erweitert. und falls jemand hier "tote" links findet, was gerade bei presseartikeln öfter vorkommen könnte, wäre ich für einen kurzen hinweis dankbar.
Mittwoch, 17. August 2005
mehr zufällig bin ich gerade über ein paar ankündigungen einer tv-dokumentation gestolpert, die vor ein paar tagen wohl wiederholt worden ist - ich muss sagen, davon hatte ich bisher noch keine kenntnis:
"In seinem Dokumentarfilm Guinea Pig Kids für die BBC (dt. "Kinder als Versuchskaninchen", ARD, 10.08.2005)) deckt der Dokumentarfilmer Jamie Doran die Praktiken der Jugendbehörde von New York City (Administration of Children's Services) auf, Experimente mit AIDS- Medikamenten an Kindern zu erlauben und mit Zwang durchzusetzen. Diese Experimente fanden bis 2002 im Incarnation Children's Center statt und finden jetzt noch anderen Institutionen statt. Wenn die Kinder sich wegen der massiven Schädigungen weigern die 'Medikamente' zu nehmen, werden sie dazu gezwungen. Mehrere Kinder sind gestorben. Einer Großmutter, die sich weigerte, ihren Enkeln die 'Medikamente' zu geben, wurden die Kinder weggenommen. Die Kinder kommen überwiegend aus armen schwarzen Familien, die sich keine teuren Anwälte leisten können. Eine Krankenschwester, die zwei Kinder adoptiert hatte, setzte die 'Medikamente' ab und den Kindern ging es wesentlich besser. Darauf wurden ihr die Kinder weggenommen. Die beteiligten Firmen lehnen jeden Kommentar ab."
mehr details hier.
kindsein.
die "beteiligten firmen" übrigens lassen sich nach einer anderen filmischen dokumentation, "The Corporation", wie folgt beschreiben:
"Als soziales Wesen trägt eine Corporation eindeutig psychopathische Züge: Eigene Interessen sind das Maß aller Dinge, sie handelt verantwortungslos, ist manipulativ und unfähig, Empathie zu entwickeln."
und eine andere rezension zum gleichen film:
"Fokussiert wird dabei auch, wie wohl sich Unternehmen in den demokratiefreien Räumen fühlen können: Da ist der US-Konzern Bechtel, der in der bolivianischen Stadt Cochabamba die Rechte an jedem Regentropfen besitzt und diese von der Polizei mit Gewalt durchsetzen lässt; oder der Chemiekonzern Monsanto, der brachial jede Berichterstattung über sein umstrittenes Hormonpräparat Posilac zu unterdrücken sucht."
(das sind übrigens nicht nur us-amerikanische verhältnisse. und sie haben auch keineswegs ihre alleinige quelle dort. nur als anmerkung, um platten und eurochauvinistischen antiamerikanismus von vorneherein zu dissen. gerade deutschland hat so seine ganz eigenen, weltberüchtigten varianten der verdinglichung in die historie gestanzt).
Dienstag, 16. August 2005
die folgende geschichte hat in mir den spontanen reflex ausgelöst, sich wieder ins bett begeben zu wollen und mir die decke über den kopf zu ziehen - stattdessen werden Sie das jetzt ausbaden müssen. warnung: es geht um sexualisierte gewalt. und da artikel auf spon nach einiger zeit kostenpflichtig werden, muss ich etwas ausführlicher zitieren..
"Es ist ein kaum fassbarer Fall: Sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung in 304 Fällen wirft die Staatsanwaltschaft einem Berliner Justizbeamten vor. Der Mann soll 15 Jungen über Jahre missbraucht haben - fünf von ihnen sind inzwischen selbst zu Tätern geworden.
(...)
Mario S. ist derzeit vor dem Landgericht Berlin des schweren sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung in 304 Fällen angeklagt. Zwischen 1990 und 2004 soll er insgesamt 15 Kinder und Jugendliche missbraucht haben. Immer waren es Jungen, der jüngste von ihnen war gerade drei Jahre alt. An seine Opfer kam der Justizbeamte laut Anklageschrift, indem er sich das Vertrauen der Eltern erschlich. Die hatten kaum Zeit für ihre Kinder und müssen froh gewesen sein, dass sich jemand um sie kümmerte. Jemand, der in der Jugendstrafanstalt Plötzensee als Schließer arbeitete und in den Augen der Mütter und Väter über jeden Verdacht erhaben war.
(...)
...entdeckten die Ermittler in seiner Wohnung einen Koffer, vollgestopft mit Videokassetten und Datenträgern, bei deren Sichtung den Beamten der Atem stockte: Es seien Kinder aller Altersklassen zu sehen gewesen, die von S. in allen denkbaren Variationen missbraucht werden. Auch auf der Festplatte des Computers in der durchsuchten Wohnung wurden die Ermittler fündig - der Angeklagte hatte Kinderpornos aus dem Internet heruntergeladen.
Der Fall Mario S. zeigt das ganze Elend, das durch sexuellen Missbrauch verursacht wird; die Endlosspirale der Gewalt: Mindestens fünf seiner mutmaßlichen Opfer sollen inzwischen selbst zu Sexualtätern geworden sein - zwei von ihnen, heute 26 und 28 Jahre alt, wurden bereits zu jeweils 28 Monaten Haft verurteilt."
es ist ein durch und durch trostloses und widerwärtiges szenario, teils schon aus zu vielen anderen ähnlichen berichten bekannt bekannt - selten aber wird eine mögliche folge sexualisierter gewalt so offen benannt und dargestellt - die betonung liegt dabei wirklich auf möglich, und nicht auf zwangsläufig: die eigene täterwerdung der opfer, die sich u.a. als fehlgeschlagener versuch der verarbeitung von erlebter gewalt interpretieren lässt, und nicht umsonst häufiger bei männern als bei frauen zu beobachten ist. die zustände von lähmung, passivität und hilflosigkeit nach traumatischen erlebnissen, dazu die definition von opfer in dieser gesellschaft, scheinen für männer, die sich nach den klassischen männlichkeitsvorstellungen in dieser gesellschaft richten, durch die umkehr ihrer rolle erträglicher zu werden.
was wird sonst noch über den täter bekannt?
"Hochgradig strategisch" sei der Justizvollzugsbeamte bei seinen Taten vorgegangen, erklärt ein Ermittler, Mario S. habe sich systematisch das Vertrauen argloser Familien erschlichen.
(...)
Er half überforderten alleinerziehenden Müttern beim Einkauf, kümmerte sich um dies und jenes, vor allem aber um die Söhne. Er verbrachte seine Freizeit mit ihnen, machte Ausflüge, bald durften sie auch bei ihm übernachten - häufig in Gruppen. Einige der Kinder und Jugendlichen, die Mario S. missbraucht haben soll, besuchten eine Schule für Lernbehinderte.
(...)
Außerdem soll S. gelegentlich Vorträge an der Schule gehalten haben, beispielsweise über die Gefahren des Drogenmissbrauchs. Mindestens einmal hat Mario S. eine Mutter zu einem Elternabend begleitet - das übergroße Engagement des Justizbeamten weckte nirgends Argwohn.
(...)
Mario S. wird als außergewöhnlich nett, zuvorkommend und vertrauenswürdig beschrieben, keiner schöpfte je Verdacht. So stand seiner Anstellung in der Jugendstrafanstalt offenbar nichts im Wege, schließlich hatte er ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis."
ich mache einen kleinen einschub, hin zu einem theoretischen ansatz, derartiges besser zu verstehen:
"Intelligente, ichkonstruktiv und simulativ geschickte Borderlinekranke schaffen das Kunststück, ein mitunter extrem destruktives Impulsprogramm antisozialen Zuschnitts in einer betont blanden ("bland" ist ein medizinischer begriff und bedeutet in etwa "frei von massiven symptomen") Borderlinefassade fest zu installieren und von dieser unverfänglichen und geschützten Operationsbasis aus über Jahrzehnte hin zu realisieren. Ein gutes Beispiel für diese Konstellation ist etwa der Fall eines allseits beliebten und anerkannten Jugendpfarrers, der über Jahrzehnte hinweg und an verschiedenen Einsatzorten einige hundert (!) Kinder und Jugendliche sexuell mißbraucht und auf seinem unheilvollen Weg eine breite Spur schwer traumatisierter Menschen hinterläßt. Das extrem antisoziale Impulsprogramm wird im Schutze einer blanden Borderlinestruktur exekutiert, die in Expertenkreisen nach wie vor keine Anerkennung findet."
(J. E. Mertz, "Borderline...", S. 225. siehe auch in der literaturliste)
einige begrifflichkeiten im obigen zitat werden für viele nicht leicht zu verstehen sein - aber das wird sich mit der zeit hier noch klären. ich nehme das zitat hier praktisch schon vorweg, weil es absolut zum hier thematisierten gehört. und vielleicht taucht bei der einen oder dem anderen leserIn auch verwirrung auf - sind menschen mit borderlinediagnosen nicht immer sehr auffällig (in verschiedenster hinsicht), und mussten überdurchschnittlich häufig eben auch traumatische gewalt erleben? von außen oberflächlich betrachtet, ja - aber es gibt einige punkte im spannungsfeld von traumatischer gewalt, psychiatrischen diagnosen und borderline, die bis heute für ausserordentliche, auch und gerade fachliche, konfusion sorgen. und bei der eben erwähnten möglichen verwirrung spielt u.a. eben diese konfusion eine entscheidende rolle.
zurück zum artikel:
auffällig sind für mich u.a. die fast schon als klischeé anzusehenden aussagen über das "vertrauenswürdige" und "nette" auftreten des täters (gerne in diesem kontext auch "normal" und "unauffällig") - wie sie z.b. häufiger ebenfalls nach sog. amokläufen oder auch "banalen" mordgeschichten zu hören und zu lesen sind. möglicherweise ist dabei ein kern von wahrheit, der aber imo eher etwas über die wahrnehmungsfähigkeiten derjenigen aussagt, die solche bemerkungen wie zitiert von sich geben. eine vorläufige hypothese dazu könnte vielleicht so aussehen, dass die betreffenden regelmässig ihre informationen über andere menschen primär aus a) äusserlichkeiten und b) "normgerechten verhalten" (gekoppelt mit "autorität", bspw. einer beamteten stellung, besonders wirkungsvoll) ziehen - was in der folge auch als konsequenz hätte (und vermutlich regelmässig hat), dass z.b. ein durch und durch soziopathischer mensch sein verhalten nur den jeweils gültigen konventionen angleichen muss, um überall in seinem tun zuverlässig ignoriert zu werden. wie finden Sie diese vorstellung?
stichwort soziopath, stichwort empathielosigkeit:
"Die Ermittler gehen von "weit mehr Taten" aus als den 304, die jetzt vor dem Landgericht Berlin unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden, da nur die Taten zur Anklage kommen, die durch Zeugenaussagen oder Videofilme belegt sind. Filme, die beispielsweise den Missbrauch eines Elfjährigen zeigen: Als der Junge beginnt, vor Schmerzen zu wimmern, sagt Mario S.: "Komm, lass mal locker."
das muss wohl nicht weiter kommentiert werden.
im letzten absatz dieses artikels wird dann aber noch etwas beschrieben, was ich ob der darin zutage tretenden ignoranz und rücksichtslosigkeit seitens der polizei schier unglaublich finde:
"Viele der Opfer werden lange unter den Verbrechen leiden, die ihnen angetan wurden. Ohnmacht und Scham haben ihr Leben verändert, oft wird das Schreckliche auch verdrängt. Als die Ermittler zwei der Opfer mit den Taten konfrontierten, hätten diese vehement bestritten, dass es zu einem Missbrauch durch Mario S. gekommen sei. Es hätte kein Verkehr stattgefunden, das sei alles Unsinn. Daraufhin sollen die Beamten den beiden Jugendlichen unabhängig voneinander Videoaufnahmen gezeigt haben, die sie beim Missbrauch durch Mario S. zeigen. "Die beiden haben exakt gleich reagiert", so ein Insider, "sie haben einige Sekunden lang fassungslos zugesehen und sind dann zusammengebrochen."
klar was ich meine, oder? das verhalten z.b. gegenüber vergewaltigten frauen seitens der polizei und der justiz mag sich in den letzten beiden jahrzehnten aufgrund öffentlichen drucks etwas gebessert haben - aber was hier den betroffenen männern zugemutet worden ist, ist von der einstellung her im großen und ganzen identisch mit dem, wie früher mit vergewaltigten frauen umgegangen worden ist. eine bodenlos zerstörerische dummheit, die eigentlich geharnischte proteste und konsequenzen für die betreffenden beamten nach sich ziehen müsste - was aber, wie üblich, vermutlich nicht geschehen wird.
alles in allem: weitere auschnitte aus einer welt, in der menschen größtenteils wie dinge wahrgenommen werden. entsprechend ist dann konsequenterweise auch das verhalten.
Montag, 15. August 2005
eigentlich war heute nachmittag schon ein beitrag halbfertig, als mir ein bedienungsfehler das ganze unrettbar ins elektronische nirvana beförderte. und so versuche ich nun, den faden wiederzufinden - hatte vor kurzem mal wieder momo von michael ende in der hand - die grauen herren, die die zeit der menschen klauen.
höre ich da "kinderkram" aus dem hintergrund? vielleicht ist das genau eins der dinge, die uns heute fehlen?
sowohl momo als auch die unendliche geschichte habe ich damals zuerst als primäre unterhaltungslektüre und fantastische jugendbücher aufgefasst. bis ich irgendwann kapierte, dass besonders die unendliche geschichte etliche symbole und metaphern enthält, die eher etwas mit alchemistischer symbolik, tiefenpsychologie und der suche nach dem eigenen selbst zu tun haben. während "momo" recht eindeutig eine allegorie auf unsere heutige situation darstellt. das mag nun alles nichts neues sein, aber ich erwähne es deshalb, um deutlich zu machen, dass das problem der kalten objektivität - und darauf läuft eine autistische weltwahrnehmung in ihrer konsequenz hinaus - sehr wohl bekannt ist. "wissenschaftlich" eher nicht, was aber auch kein wunder ist, da es sich bei diesem menschlichen funktionsmodus um einen ganz zentralen bestandteil der basis der westlichen wissenschaft handelt. und nestbeschmutzung wird bis heute nicht gerne gesehen. michael ende selbst hat seine motivationen, wie mir erst jetzt bekannt wurde, durchaus deutlich benannt, hier in einem briefwechsel - der folgende abschnitt stammt vom 11./13.09.1988:
"Was mich interessiert ist die Frage, was ich mit meinen Möglichkeiten dazu tun kann, daß wir aus dieser verdammten Kulturmisere wieder herauskommen, in die sich die gesamte "zivilisierte" Menschheit hineinmanövriert hat. Der naturwissenschaftliche, technologische, industrielle Fortschritt ist da und wird weitergehen - aber wenn kein Gegengewicht auf der "anderen" Seite diese Entwicklungen ausbalanziert, dann werden wir immer tiefer in eine buchstäblich mörderische Banalität hineinschlittern, in eine "brave new world" der totalen Wesenlosigkeit und der totalen Bequemlichkeit - oder es kommt eben zu all den oft genug besprochenen Katastrophen. Beides wäre gleichermaßen schlimm."
und weiter:
"Verstehen Sie mich, bitte, nicht falsch. Ich beklage das nicht. Ich bin vielmehr der Meinung, daß dieses Durchleben des Fokuspunktes, dieses Reduziertsein auf das eigene Bewußtsein, dieser Weltverlust sich mit Notwendigkeit vollziehen mußte. Eben dadurch wurde der Mensch sozusagen selbständig, mündig. Aber man kann natürlich in diesem Fokus- oder Nullpunkt nicht verweilen, sich nicht häuslich darin einrichten. Das würde zu einem vollkommenen Zerfall aller sozialen Strukturen, aller Gemeinsamkeit, ja der Sprache selbst führen (denn auch Sprache gehört ja zu der gemeinsamen Lebensgebärde. Eine Sprache lebt z w i s c h e n Menschen. Eine Sprache, die einer ganz und gar nur für sich allein hätte, wäre gar keine.)
behalten Sie das im hinterkopf - ich glaube, ende hat hier ein paar sehr wichtige punkte angesprochen, die es wert sind, sich näher mit ihnen zu befassen. vor allem die frage, um welche phänomene es sich hier genau handelt, die er mit "wesenlosigkeit", "reduziertsein auf das eigene bewußtsein" und "weltverlust" bezeichnet. sowie die mögliche rolle und funktion dessen. vom "zerfall aller sozialen strukturen" einmal ganz zu schweigen.
Sonntag, 14. August 2005
...verweis auf eine diskussion meinerseits, u.a. mit jemandem, der sich selbst als aspergerautist definiert hat.
Freitag, 12. August 2005
...dessen geschichte am ende dieses beitrages gestern kurz skizziert wurde, ist heutzutage womöglich mit den technischen errungenschaften unserer zeit verwoben, speziell mit den allgegenwärtigen kameraobjektiven, die sich mittlerweile in enormer dichte an allen möglichen orten finden lassen - multifunktionalität, wie z.b. bei handys, rulez nicht immer okay, schon gar nicht, wenn damit derartiges angestellt wird:
"Nachts in einer Nürnberger Jugendherberge, so schildert es die Leipziger Staatsanwaltschaft, schlichen zwei 15-Jährige sich ans Bett eines schlafenden Mitschülers. Der eine hob die Decke hoch, entzündete den Strahl einer Deospraydose per Feuerzeug und verbrannte dem Opfer die Schienbeine. Der andere Jugendliche drehte davon ein Video.
Wie die "Dresdner Morgenpost" berichtete, erlitt das Opfer großflächige Brandwunden ersten und zweiten Grades. Aus Angst vor weiterer Gewalt habe der Schüler aber tagelang geschwiegen, seine Verletzungen verborgen und sich erst seiner Mutter anvertraut, als die Schmerzen unerträglich wurden. Die Mutter erstattete sofort Anzeige."
zynisch könnte man(n) dabei werden, und das ganze als exzentrische version von "jugend forscht" ansehen - "wir haben damals doch auch ameisen und frösche getriezt" - aber ich glaube, das eine derartige verharmlosung am kern des problems vorbeigeht (was tierquälerei jetzt weder verharmlosen noch relativieren soll. aber um die geht es jetzt nicht).
der obige artikel macht zum einen klar, dass nun das sog. "happy slapping" (was ein name!) auch in diesem land angekommen ist. zum anderen aber: versuchen Sie einmal, sich in einen zustand hineinzuversetzen, in dem Sie - ganz geplant und mit kalkül - einen anderen menschen vorsätzlich verletzen, UND das damit ausgelöste leid auch noch per objektiver aufzeichnung dokumentieren und per elektronischer medieninfrastruktur der restwelt zur verfügung stellen. in der phantasie ist imo viel möglich und erlaubt und teils sogar nötig, um gewisse dinge besser verstehen zu können. also, bitte keine hemmungen. nun? wie würden Sie diesen zustand beschreiben? was ist nötig, um sich zu derartigem tun bewegen zu lassen? ich erwarte hier keine öffentlichen antworten - betrachten Sie´s als experiment mit Ihren eigenen wahrnehmungsoptionen.
aus dem gerade verlinkten tp-artikel noch dieses:
"Schon jetzt sind Menschen, zumeist Jugendliche, durch die Schläge für die kurzen Videofilme verletzt worden. Zwei Jugendliche schossen einer 17-Jährigen in die Beine und nahmen das auf. Im Mai wurden zwei britische Jugendliche verurteilt, weil sie einen Mann, der in einem Busbahnhof schlief, angezündet hatten. Auch das filmten sie mit der Handykamera und präsentierten sich als lachende und scherzende Täter. Das Opfer überlebte mit schweren Verbrennungen. Der neueste Fall einer gefilmten Vergewaltigung zeigt womöglich, dass brutales Verhalten durch Live-Aufnahmen gefördert wird, weil Schranken fallen, wenn die Täter als Schauspieler auftreten und in die Rolle des Bösen für den Blick der imaginierten Zuschauer schlüpfen."
wer sich noch an die wehrmachtsaustellung erinnert, wird vielleicht noch die lachenden deutschen soldaten im gedächtnis haben , die auf diversen bildern z.b. mit gerade hingerichteten partisanen posierten. womöglich hätten die, bei adäquater technischer ausstattung, ähnliches produziert. von daher also ist das phänomen an sich nicht ganz so neu. und ebenso die geistige bzw. psychophysische verfassung nicht, die sich in dieser kälte manifestiert. was aber keinesfalls beruhigen sollte - ganz im gegenteil.
diese gesellschaft bekommt die kinder, die sie verdient. letztlich.
*
aber was sollte auch anderes zu erwarten sein, wenn sich der pannwitzblick ständig und ständig weiter fortpflanzt. was sich z.b. auch an den verschiedenen sog. unwörtern des jahres ablesen lässt (eine kleine auswahl):
- 1997 "Wohlstandsmüll"
- 1998 "sozialverträgliches Frühableben"
- 1999 "Kollateralschaden"
- 2004 "Humankapital"
gemeint sind Sie, du und ich - wenn das humankapital durch kollateralschäden nicht mehr fitmobilleistungsfähig ist, wird von gewissen leuten also das sozialverträgliche frühableben gefordert, damit es möglichst nicht zur entstehung von wohlstandsmüll kommt. dr. pannwitz mit seinem eisigen blick scheint nicht nur an einer stelle immer noch quicklebendig zu sein.
development