notizen

Donnerstag, 20. Oktober 2005

notiz: objektwahrnehmung und insektenkunde oder: wann reicht es?

ich kann wirklich nicht sagen, dass es besonderen spaß macht zu sehen, wenn die eigenen gedanken und befürchtungen durch die realität nicht nur grundsätzlich bestätigt, sondern noch in einer vielzahl von ereignissen getoppt werden. ich hatte zu beginn dieses blogs mal geschrieben, dass ich auch die tägliche nachrichtenlage nutzen würde, um einige thesen und beschreibungen hier deutlicher zu machen. das hat mich selbst zu einer systematischeren betrachtung primär der netzlandschaft gebracht (andere medien sind mir z.zt. nur mit verzögerung oder eingeschränkt zugänglich, wobei ich persönlich das nicht als großes manko betrachte – fernsehen in großen abständen z.b. macht mich ob der dargebotenen inhalte zunehmend sprachlos). aber auch so sammelt sich schon viel mehr an alarmzeichen verschiedenster art an, als ich hier verarbeiten kann. so liegen z.b. noch einige aufschlußreiche prozeßberichte der letzten zeit „auf halde“, in denen psychiatrische gutachten eine hauptrolle spielen, oder besser: dort thematisierte störungsbilder, die auch hier immer wieder thema sind. dazu biographische fragmente bzw. profile etlicher sog. personen des öffentlichen lebens, die ebenfalls einer näheren betrachtung bedürften. aber nicht nur zeit- und geldfragen gerade, sondern auch schlicht ein zumindest zeitweise notwendiger innerer abstand zu den themenbereichen hier sorgen dafür, dass etliches liegenbleibt. so kommen dann gerade nur die „größten klopper“ an die reihe.

*

zu denen zweifelsfrei dieser hier gehört:

“Mit einem Eklat scheidet Wolfgang Clement (SPD) aus dem Amt des Bundeswirtschaftsministers. In einem von ihm abgesegneten Report über "Abzocke im Sozialstaat" werden Menschen mit Parasiten verglichen.“

ein in staatlichem auftrag und mit staatlicher billigung erstellter „report“, dessen grundlagen offensichtlich so aussehen:

“Jedenfalls gebe es keine Belege für die unter anderem von der Bild-Zeitung gerne aufgegriffene Unterstellung ("Die üblen Tricks der Hartz-IV-Schmarotzer"), das Land müsse sich mit allen Mitteln gegen massenhafte Abzocke zur Wehr setzen. "Wir haben dazu keinerlei Zahlen", sagte ein BA-Sprecher der Frankfurter Rundschau. Rätselhaft bleibt den Experten der Behörde deshalb auch, wie Clement zu der Annahme kommt, zehn Prozent aller Empfänger von Arbeitslosengeld II würden den Staat betrügen.“

klartext: ruhig mal mit dreck schmeißen, irgendwas wird schon hängenbleiben. in diesem fall bleibt aber etwas ganz besonderes im bewußtsein kleben:

“Während Deutsche mit immerhin geänderten Vor- und Zunamen vorgestellt werden, genügt denVerfassern des Textes bei einem Libanesen die Nennung des Vornamens Ibrahim. Zahlen über das Ausmaß des angeblichen Missbrauchs, eine seriöse, wissenschaftliche Erhebung oder zumindest überprüfbare Quellen bleibt die anekdotische Aneinanderreihung einzelner Fälle von "Abzocke" dagegen schuldig.

So wird in dem von einer Journalistin in Zusammenarbeit mit der Pressestelle entworfenen Text suggeriert, Menschen, die zu Unrecht Sozialleistungen bezögen, seien schlimmer noch als Parasiten: "Biologen verwenden für ,Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben' übereinstimmend die Bezeichnung Parasiten." Auch wenn es natürlich "völlig unstatthaft" sei, "Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen", wird darauf verwiesen, dass Sozialbetrug "besonders verwerflich sei", weil "nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert".


der eigene, zuerst gezogene vergleich mit parasiten wird im nachhinein als „unstatthaft“ erklärt. aber erst dann, wenn diese bereits an der grenzlinie zwischen faschistoid und faschistisch gelegenen bilder und metaphern bereits unter zuhilfenahme wissenschaftlicher rhetorik verbraten worden sind (vom im obigen absatz ebenfalls thematisierten rassismus erst gar nicht zu reden.) immerhin, waren die nazis noch auf das ideologische konstrukt des „anlagebedingten asozialen volksschädlings“ fixiert, so ist es unter den heutigen bedingungen extremer vereinzelung das ebenso ideologische (bildungsbürgerliche) konstrukt des „freien willens“, welches aber zum gleichen schluß führt: alles parasiten.

ich hoffe dabei, dass ich die leserInnen hier nicht extra darauf hinweisen muss, in welchem historischen kontext eine derartige sprache in diesem land steht? es ist die sprache der vernichtung, die als vorbedingung immer erst die ausgrenzung und entmenschlichung aka verdinglichung der zielgruppe(n) hat. insekten sind uns fremd genug, dass wir sie, wenn sie nicht ein ästhetisch ansprechendes aussehen wie z.b. schmetterlinge oder marienkäfer besitzen, umstandlos als objekte behandeln, in vielen fällen als schädliche objekte = schädlinge. schädlinge aber werden bekämpft und ausgerottet.
und der begriff „parasit“ enthält dazu noch die codierung „heimtückisch“ – parasiten sind still und leise, blutsaugend, schmarotzend und wurmartig. so die assoziationen zu diesem begriff, von denen ich denke, dass sie repräsentativ sind.

wer aber begriffe aus der insektenkunde und schädlingsbekämpfung ins soziale menschliche leben einführt, stellt sich selbst in den erwähnten historischen kontext und beweist damit nebenbei auch zum wiederholten male, wie pseudo die sog. „bewältigung“ des nationalsozialismus in diesem land tatsächlich gewesen ist – eine als-ob-auseinandersetzung. nun wäre das als einzelfall (zumindest in der veröffentlichten meinung – das sog. „gesunde volksempfinden“ arbeitet seit eh und je mit derlei rhetorik) zwar schlimm genug und scharf zu kritisieren – wenn sich aber in eben dieser veröffentlichten meinung solche bilder häufen, dann ist es eventuell angebracht, sich genauer gedanken zu machen und vielleicht auch einen ähnlichen blick wie der im letzten beitrag vorgestellte lloyd deMause zu wagen, der solche bilder und metaphern als typisch für kollektiv bedeutsame gesellschaftliche tiefenströmungen ansieht. ich bin bei einer unvollständigen und schnellen durchsicht von pressestimmen sowohl schockiert als auch überrascht darüber, wie wenig erstens die ungeheuerlichkeit der dargestellten metaphernwelt in einer staatlichen veröffentlichung in deutschland thema ist, zweitens aber zieht kaum jemand einen naheliegenden vergleich – was war da noch vor ein paar monaten?

“Der Münchner Historiker Michael Wolffsohn hat die Kapitalismuskritik des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering mit der antijüdischen Hetze der Nazis verglichen. In der Rheinischen Post wirft Wolffsohn dem SPD-Chef vor, Unternehmer mit Tieren gleichzusetzen.

Bei Müntefering schwinge mit, dass diese „als Plage vernichtet, ausgerottet werden müssen“. Weiter erklärt der Professor an der Bundeswehrhochschule in München: „Heute nennt man diese „Plage“„Heuschrecken“, damals „Ratten“ oder „Judenschweine“.


nun, auch wenn ich mit den sonstigen politischen ansichten von wolffsohn ansonsten nicht konform gehe: in diesem punkt gebe ich ihm recht. münteferings heuschreckenmetapher für kapitalisten (und zwar nur bestimmte personen, er meinte niemals den kapitalismus als system) entstammt als bild ebenso dem faschistischen arsenal (jüdischer „raffender“ kapitalist vs. „ehrlich schaffender arischer unternehmer“ wie das jetzt aktuelle des parasiten für scheinbare oder tatsächliche „sozialbetrüger“ (wie sich das dann ohne jegliche differenzierungen und abschwächungen in der veröffentlichten meinung spiegelt, war in der skandalösen „bild“-schlagzeile vor ein paar tagen zu lesen („die üblen tricks der hartz-IV-schmarotzer“). damals jedoch wurde sehr schnell und sofort die herkunft des bildes thematisiert, und zwar von einflußreichen medien und personen. dieser aspekt ist heute, zumindest bisher, nicht vorhanden (und wie die mittlerweile in dieser sache gestellte strafanzeige wg. volksverhetzung verlaufen wird, ist zumindest erahnbar: ohne spuren im sand...).

“In "Bild am Sonntag" – wo auch sonst? – hatte der SPD-Vorsitzende die internationalen Finanzinvestoren gegeißelt: "Sie fallen wie Heuschreckenschwärme über die Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter." Darf man so reden?

"Wenn Müntefering ein solches Bild benutzt, muss er wissen, dass solche Bilder eine große Macht entwickelt haben und dass politische Bewegungen wie der Nationalsozialismus, aber auch andere populistische Bewegungen, solche Bilder benutzt haben, weil man damit Emotionen hoch peitschen kann", sagt Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun. Im Moment zeige der Film "Speer und Er" – "über den man historisch sagen kann, was man will" – sehr schön, wie die Nationalsozialisten es verstanden, Ästhetik und Metaphern einzusetzen. Sie wussten um die Macht dieser Metaphern, so von Braun. "Das geht natürlich auch im umgekehrten Sinn. Auch die negativen Bilder haben eine solche politische Macht. Man muss sehr vorsichtig mit solchen Bildern umgehen."

„Christina von Braun kann Wolffsohn "nicht ganz zustimmen, wenn er sagt, das sei ein antisemitisches Bild, weil das antisemitische Bild ist eigentlich das Bild vom Polypen, vom Blutsauger oder aber auch das Bild vom Infektionsherd, den Bakterien, die der Jude angeblich repräsentiert. Das Bild der Heuschrecke ist im antisemitischen Kontext nicht so präsent. Dennoch ist es natürlich ein Bild der Plage, was an den Genozid erinnert, etwas, das ausgerottet werden muss."

(quelle: „kulturzeit“)


tatsächlich ist das bild der heuschrecke im antisemitischen kontext weniger verbreitet, als es wolffsohn suggerierte – was den verdacht einer instrumentalisierung des antisemitismusvorwurfs in diesem falle nahelegt (aber münteferings worte keinesfalls besser macht). aber wie sieht es eigentlich aus mit antisemitismus und parasiten und schmarotzern?

“In nationalsozialistischen Texten finden sich häufig biologische Metaphern, beispielweise wenn vom Volkskörper die Rede ist, der durch Parasiten, Bakterien, Schmarotzer (meist werden damit Juden bezeichnet) erkrankt, weswegen hygienische Maßnahmen erforderlich werden, welche die Gesundheit des Volkskörpers garantieren. Auch Rasse (mit seinen Ableitungen) muss in diesem Zusammenhang als biologisch-zoologischer Begriff nochmals erwähnt werden. Außerordentlich prägnant ist zudem folgende Stelle in „Mein Kampf“: „[Der Jude] ist und bleibt der typische Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab [...]“ (aus: HITLER, A.: Mein Kampf, 1. Band. München 193312, 334). Eine solche dehumanisierende Darstellung von Mitmenschen war ein erster Schritt auf dem Weg nach Auschwitz.“

“Eine solche dehumanisierende Darstellung von Mitmenschen war ein erster Schritt auf dem Weg nach Auschwitz.“

dachten Sie wirklich und ernsthaft, diese geschichte wäre tatsächlich vorbei? nicht, so lange in diesem land und in der sog. westlich.europäischen „hochkultur“ (die tatsächlich eine kultur der plünderung und ausrottung darstellt) das, was in diesem blog als objektwahrnehmung versucht wird zu analysieren, den primären wahrnehmungsmodus einer zu großen zahl von menschen ausmacht.

in deutschland hat dieser modus offensichtlich dazu aus zumindest mir etwas rätselhaften gründen besonders unangenehme und zerstörerische eigenschaften – es ist wahrscheinlich angebracht, die oben beschriebenen realitäten als verschiedene ausdrucksvariationen der wahrnehmung zu begreifen, die hier bereits als holland umschauen:

“Die Zahlen sprechen eine skandalöse Sprache: Nicht nur, dass die Praxis der Sterbehilfe einer staatlichen Kontrolle weitgehend entzogen bleibt – vielmehr wird bei einem beträchtlichen Teil der Fälle die rechtliche Zulässigkeitsbarriere, aber auch der Patientenwille missachtet. Es wird rechtswidrig getötet oder ermordet.

Ethisch und rechtlich wird in den Niederlanden kein Unterschied zwischen aktivem Töten und assistiertem Suizid getroffen. Danach bleibt ein Arzt straffrei, wenn er die vom Gesetz vorgeschriebenen so genannten Sorgfaltskriterien einhält. Grundvoraussetzungen für die Gewährung von Euthanasie sind: freiwilliges Verlangen nach Tötung bei Vorliegen eines unerträglichen und unheilbaren Leidens. Dagegen ist die Tötung durch den Arzt ohne ausdrückliche Bitte des Patienten per definitionem keine Euthanasie und wird nach holländischem Strafrecht wie Totschlag oder Mord geahndet.

Ein „aussichtsloser Zustand“ wird nach medizinischen Kriterien festgestellt und bedeutet, dass sich der Zustand des Patienten nicht mehr bessern kann. Doch „unerträgliches Leiden“ lässt sich nur schwer objektivieren, da der Arzt keinen Zugang zum subjektiven Empfinden des Patienten hat und sich auf dessen Aussagen verlassen muss. Auch psychisches Leid wird als „unerträgliches Leiden“ akzeptiert. Hier ist es besonders schwierig, festzustellen, ob eine Bitte um Sterbehilfe „freiwillig und nach reichlicher Überlegung“ erfolgt ist oder überhaupt erfolgen kann, wenn der Patient psychisch krank und sein Leiden nicht primär organischer Natur ist.“


ich hatte vor ein paar jahren mal die gelegenheit, den vortrag eines niederländischen psychiaters (und kritikers der euthanasiepraxis) zu den entsprechenden entwicklungen in seinem land zu hören, der das oben skizzierte im kern bestätigt und detailliert ausgeführt hat. nicht, das ich das problem von tatsächlich unheilbaren und schmerzhaften krankheiten und die grenzen einer schmerzlindernden behandlung ignorieren würde – aber das geht am eigentlichen problem vorbei. die praxis in den niederlanden ist faktisch so, dass Sie bereits bei erfolgreicher glaubhaftmachung einer länger andauernden schweren depression ärzte finden können, die das als „nicht mehr lebenswert“ und „erlösungsbedürftig“ deklarieren. und an stellen wie dieser wird vielleicht auch der bezug zur insektendebatte deutlich: schlimmstenfalls wird ein bspw. durch die stigmatisierung depressiv gewordener „hartz-IV“-empfänger unter solchen umständen und medizinisch-juristischen möglichkeiten freiwilllig in seine euthanisierung einwilligen! dazu: armut fördert krankheit. und auch von diesem punkt aus stellt sich angesichts der ständigen kostendebatte im gesundheitswesen schnell wie von selbst eine verbindung her: wenn in der allgemeinen wahrnehmung eh schon nicht mehr als ganz menschlich wahrgenommene personen („parasiten“) ohne große materielle ressourcen und ohne chance auf zugänge zum sog. „arbeitsmarkt“ (wo sie schlicht nicht mehr gebraucht werden) dann durch ihre lebensumstände schneller und ernsthafter krank werden, was wäre dann aus sozusagen betriebswirtschaftlicher (aka verdinglichender wahrnehmung) sicht die vernünftigste „lösung“? eben: die endlösung.

*

tja. bei diesen szenarien bleiben mir nur noch eine anmerkung und eine frage.

erstens: bei solchen „demokratischen kräften“ brauchen wir keine npd mehr im parlament.
zweitens: wann wird es zeit, die koffer zu packen?

Donnerstag, 13. Oktober 2005

notiz: eine weitere rezension...

...zum thema psychopathen erinnert mich an einen geplanten beitrag, der z. zt. noch in arbeit ist. bis dahin können sich interessierte leserInnen noch mit der rezension beschäftigen, in der u.a. zu lesen ist:

"Die Hannibal Lectors, Dr. Jekylls und Mister Hydes sowie die Natural Born Killers sind unter uns. Und zwar nicht als einsame skurrile Wesen, wie wir sie aus der Literatur oder dem Kino kennen, sondern als scheinbar ganz normale Menschen, denen wir gelegentlich begegnen. Mindestens ein Prozent der Menschen sind Psychopathen, schreibt der Autor. Sie sind keine Ausnahmeerscheinung, allein in New York leben 100.000 von ihnen.
Offizielle Studien gibt es für diese Annahme nicht. Die Zahlen sind Schätzungen des Autors, der zu den weltweit renommiertesten Experten auf Gebiet der Psychopathen-Forschung gehört. Robert D. Hare ist Psychologe und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Phänomen.
(...)
Und mit einen zweiten Mythos räumt Autor auch gleich auf. Psychopathen sind zwar Wölfe im Schafspelz, geschickt und anpassungsfähig, besonders intelligent sind sie aber nicht. Ihr IQ liegt nicht über dem Durchschnitt.
Psychopathen, können Nachbarn sein, der Chef oder ein Kollege, der neue Bekannte oder der Versicherungsvertreter. Sie lügen und betrügen aus rein egoistischer Motivation und ohne Rücksicht auf Verluste.
Sie empfinden keine Reue, denn Psychopathen haben eine angeborene genetische Unterfunktion für emotionales Handeln, erklärt der Autor. Messungen der Hirnaktivität belegen diese Annahme. In Tests zeigen psychopathische Personen im rechten Hirnareal keinerlei Reaktion. Dieser Abschnitt ist für Gefühle und Emotionen zuständig.
(...)
Psychopathen sind nicht therapierbar, sie sind und bleiben Täter. Emotionslos und berechnend!"


drastische worte - umso notwendiger erscheint es mir, hier bald einmal eine entsprechende diskussion anzuregen. ich werde versuchen, den beitrag vorzuziehen.

Mittwoch, 12. Oktober 2005

notiz: objektwahrnehmung, weitere beispiele

beispiel 1: deutschland, ende der 1980er jahre.

"Als die Firma `Hot Pants´ beim Finanzamt Hachenburg im Westerland angemeldet wurde (Steuernummer 18/079/0175/7), trugen die Beamten in der Rubrik `Beruf/Gewerbe´ ohne erkennbare Bedenken ein: <Mädchen- und Frauenhandel>."

ich vermute stark, dass die psychophysische verfassung dieser beamten im kern jener geglichen hat, die ihr hier im "panorama"-interview dargestellter kollege aufweist. man(n) möchte hoffen, zufälle und ausnahmen?

"Auch andere rheinland-pfälzische Behörden nahmen an dem Gewerbe keinen Anstoß, die Industrie- und Handelskammer Koblenz gratulierte zur Existenzgründung und bot ihre Beratung an, die Gemeindeverwaltung Hachenburg änderte die Gewerbebezeichnung lediglich um in `Vermittlung von Frauen aus verschiedenen Ländern´."

sprachspiele, magie des schönen klangs - "entsorgungspark", "humankapital", "finaler rettungsschuß" usw. usw. die obige phrase fällt dagegen etwas an kurzer und prägnanter eleganz ab. aber der zweck heiligt die mittel.

um was es ging? "hot pants"...

"...war eine Scheinfirma, gegründet von dem Schriftsteller Klaus-Peter Wolf, der sich bei den Recherchen für seinen Roman "Traumfrau" in der Branche umsah.
(...)
"Hot Pants"-Gründer Klaus-Peter Wolf wurde von den Behörden übrigens noch 1990 als "Frauenhändler" geführt. Als der Schriftsteller seinen Roman aus dem Männer-Milieu veröffentlichte und dabei die problemlose Anmeldung des Gewerbes offenbarte, stritt die Industrie- und Handelskammer Koblenz zunächst empört ab, daß sie Menschenhändler in ihren Reihen dulde. Ende Juni 1990 erhielt Wolf von ihr aber wieder eine Rechnung - über den Jahresbeitrag 1990, mit einer Mahnung für den noch ausstehenden von 1989."

(alle zitate aus: ekkehard launer (hg.), "frauenhandel", lamuv, göttingen 1991; s. 107, 113; isbn 3-88977-254-4)


*

beispiel 2 - eher aber können Sie sich, wie oben auch, unzählige beispiele
vorstellen - eine auswahl:

08.07.2005:
"Wien (APA) - Im südlichen Afrika, vor allem in Mocambique, werden Kinder getötet, um ihnen Organe zu entnehmen: Diesen Alarmruf formulierte laut Kathpress der irische Servitenpater Patrick Carroll bei der Internationalen Missions-Studientagung in Wien. Laut Carroll verschwinden in Mocambique immer wieder Kinder; später würden ihre verstümmelte Leichen aufgefunden, denen offenbar Organe entnommen wurden. (...)"

16.10.2004:
"(...)Neben dem Drogengeschäft hat sich Augenzeugen zufolge offensichtlich die Entführung von Kindern zu einem blühenden Geschäft entwickelt. Sie werden von der Straße und manchmal sogar aus ihrem Haus entführt. Wenn sie Glück haben, kommen sie mit dem Leben davon, wie in dem Fall, von dem die pakistanische Nachrichtenagentur (PNS) jüngst berichtete. Ein Vater wurde aufgefordert, 4 500 US-Dollar für seinen entführten Sohn zu zahlen. Der schriftlichen Aufforderung lag ein abgeschnittener Finger des Kindes und der Hinweis bei, daß das nächste Paket, das der Vater erhalten würde, den Kopf des Entführten enthielte – es sei denn, der Vater reagierte umgehend positiv. Was er tat, so daß er seinen Sohn nackt und unter Drogen gesetzt tatsächlich zurückbekam.

In vielen anderen Fällen dagegen werden die Entführten ermordet und sogleich systematisch ausgeschlachtet. Der von Jane Stillwater zitierte Augenzeuge sagte aus: »Es passiert dauernd, daß die Leichen junger Menschen gefunden werden, denen die Herzen, die Nieren, die Lebern und selbst die Augen fachmännisch herausgeschnitten wurden. Kein Organ wird verschwendet.« Die Autorin fragte schlußfolgernd daraus im Baltimore Chronicle: »Wie würden Sie das nennen? Recycling, Ökologie, Organic Farming? (...)"«


Sie dürfen gerne selbst weiter rercherchieren - es ist eine sprachlos machende, deprimierende angelegenheit. wobei - nach der sprachlosigkeit kommt hoffentlich irgendwann die wut.

"systematische ausschlachtung"... - wieder ein kleines experiment: stellen Sie sich´s vor, versuchen Sie es. in was für einen mentalen zustand geraten Sie dabei? was fühlen Sie?

*

beispiel 3: bei näherer betrachtung sind auch die oben skizzierten beispiele genauso wie das folgende letztlich variationen ein und des gleichen themas. ein thema, das auch an so einem wunderschönen herbsttag wie heute real und aktuell ist.

was fällt Ihnen ein, wenn Sie das wort "sklaverei" hören? afrika? die us-amerikanischen südstaaten? onkel toms hütte? fragen Sie einmal in Ihrem umfeld nach den bezgl. assoziationen. ich vermute, sehr selten bis nie werden Sie dabei das zu hören bekommen:

"...ist die Sklaverei auch heute noch weit verbreitet. Die Liste ist quälend lang und enthält traditionelle Sklaverei, Leibeigenschaft, unfreie Arbeit und Zwangsarbeit, auch von Kindern, Frauen und Migranten, oft verbunden mit sexueller Ausbeutung oder häuslicher Sklavenarbeit.

Die häufigste Form der heutigen Sklaverei ist mit weitem Abstand die Schuldknechtschaft. Laut dem Zusatzübereinkommen der Vereinten Nationen über die Abschaffung von Sklaverei, Sklavenhandel und sklavereiähnlichen Einrichtungen und Praktiken aus dem Jahr 1956 wird Schuldknechtschaft so definiert: Schuldknechtschaft ist eine rechtliche Stellung oder Lage, die entsteht, wenn ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine Dienstleistungen oder die einer Person unter seiner Kontrolle (etwa eines Kindes) verpfändet, der tatsächliche (in angemessener Weise festgesetzte) Wert dieser Dienstleistung aber nicht zur Tilgung der Schuld dient, oder wenn diese Dienstleistungen nicht nach Dauer und Art begrenzt und bestimmt sind. Durch das Zusatzübereinkommen gilt auch die Schuldknechtschaft als verbotene Sklaverei.

Der Mechanismus der Schuldknechtschaft sieht in der Praxis so aus: Zur Rückzahlung eines Darlehens werden Schuldknechte zur Arbeit gezwungen - oft sieben Tage in der Woche. Sie erhalten einen sehr geringen Lohn, wovon noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen werden. Angeblich schlechte Arbeit wird mit weiterem Lohnabzug bestraft. Durch Wucherzinsen wächst der Schuldenberg, der nicht selten von den Eltern auf die Kinder übertragen wird. Auf diese Weise werden oft mehrere Generationen in die Schuldknechtschaft gezwängt.

Diese Praxis ist zum Beispiel in der Landwirtschaft Südasiens verbreitet. Um ein kleines Stück Land zu erwerben, verkaufen arme Familien ihre Arbeitskraft und geraten so in Schuldknechtschaft des Großgrundbesitzers.

Die moderne Variante der Schuldknechtschaft gründet auf betrügerischen Arbeitsverträgen. Sie ist in Südindien, Brasilien und einigen anderen lateinamerikanischen Staaten zu finden. Skrupellose Mittelsmänner bieten illegalen Wanderarbeitern einen Arbeitsplatz in einer weit entfernten Stadt oder in einem anderen Land an. In der Not unterschreiben sie den Vertrag. Zur Begleichung der Reisekosten nehmen sie ein Darlehen auf, das ihnen dieselben Mittelsmänner großzügig anbieten....

Weltweit geraten 700.000 Menschen pro Jahr in die Schuldknechtschaft, schätzt das VN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Auch die Zahlen der ILO, von Anti-Slavery International und anderen Menschenrechtsorganisationen belegen, dass solche sklavereiähnlichen Praktiken alles andere als eine Seltenheit sind. Oft sind Kinder besonders betroffen. Aus einigen Ländern Afrikas sind Praktiken wie Kinderverkauf, Zwangsarbeit oder Zwangsrekrutierung von Kindern für bewaffnete Konflikte bekannt. Weltweit organisiert ist der Handel mit Mädchen und Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden. Er gehört zu den lukrativsten Aktivitäten der organisierten Kriminalität.

Mit mindestens 27 Millionen ist die Gesamtzahl heutiger Sklaven bald so groß wie die Einwohnerzahl Kanadas und viermal größer als die der Schweiz."


bilden Sie sich ruhig weiter ein, all das hätte mit uns hier und unserem leben nichts zu tun - schließlich leben wir ja in einer aufgeklärten hochzivilisation. nicht wahr?

aber objektwahrnehmung schert sich nicht um die selbsttäuschungen, illusionen und verdrängungen, mit deren hilfe wir uns mehr oder weniger jeden tag selbst in die tasche lügen. sie ist eine neurophysiologisch basierte wahrnehmungsoption - eine option, die spätestens im sozialen bereich kein stück mehr wünschenswert erscheint.

Dienstag, 4. Oktober 2005

notiz: übel wird mir...

...bei der auffällig-unauffälligen "berichterstattung" über ein wahres menetekel. welches offensichtlich nicht nur hierzulande die große mehrheit nicht so recht wahrnehmen will. erinnern Sie sich an 1989? jene flüchtlinge wurden damals wahrgenommen, diese verschwinden irgendwo unter den gleichgültigen auslandsnachrichten:

"In den frühen Morgenstunden des gestrigen Montags haben erneut um die 700 Schwarzafrikaner aus Marokko den Grenzzaun gestürmt, der die spanische Enklave Melilla von Marokko trennt. An zwei Stellen gelang es ihnen, die Sperrgitter auf einer Länge von jeweils 20 Metern niederzureißen. 350 Menschen gelangten nach Melilla und damit in die EU." (...)

Vier Polizeibeamte und drei Soldaten wurden durch Steinwürfe verletzt. Über 135 Flüchtlinge zogen sich nach Angaben des spanischen Innenministeriums bei dem Durchbruch Verletzungen zu. 130 wurden ambulant verarztet. Fünf wurden ins Krankenhaus eingeliefert, vier davon wurden operiert.
(...)
In den angrenzenden marokkanischen Wäldern leben unter unwürdigsten Bedingungen tausende von schwarzafrikanischen Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa. Imbroda beschwerte sich außerdem über die Abordnung von 500 Legionären der spanischen Armee an die Grenze. Kritiker dieser Maßnahme der spanischen Regierung befürchten, dass Soldaten nicht die geeignete Ausbildung haben, um Flüchtlinge ohne Schusswaffengebrauch zurückzuweisen."


ach ja, vielleicht denken Sie bei Ihrem nächsten urlaub mal dran?

"Vor den Kanarischen Inseln kamen unterdessen am Wochenende 19 Afrikaner beim Versuch ums Leben, mit kleinen Booten auf spanisches Gebiet zu gelangen. Ein mit 34 Flüchtlingen besetztes Boot kenterte vor der Insel Fuerteventura. Drei Insassen konnten nur noch tot geborgen werden. 14 wurden im Meer vermisst. Bei Gran Canaria kamen zwei weitere Afrikaner zu Tode."

in abwandlung eines gerade kursierenden mottos könnte es heißen: "wir sind europa" - und der rest muss leider draußenbleiben. aber vielleicht sollte das ganze realistischerweise so ausgesprochen werden: "wir sind die festung europa, eure armut ist uns scheißegal, und wir sind bis auf weiteres einverstanden mit der nutzung u.a. von steuergeldern für die ausrüstung dieser festung, damit wir unseren zusammengeplünderten wohlstand nicht teilen müssen."

ja. wir sind mittäter und -täterInnen. involviert und kompromittiert. meine übelkeit meine ich nicht nur metaphorisch, absolut nicht.

"Im so genannten Meda-Programm stünden für die Sicherung der Grenze zwischen Spanien und Marokko 40 Millionen Euro bereit, sagte eine Sprecherin der Brüsseler EU- Kommission am Freitag. Das Geld sei erst zum Teil ausgegeben, mit dem Rest würden weitere Verstärkungen an den Exklaven Ceuta und Melilla finanziert.(...)

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" beklagte, Flüchtlinge, die versuchten, über Nordafrika nach Spanien und in die EU zu gelangen, würden von marokkanischen und spanischen Sicherheitskräften sowie von Kriminellen misshandelt."

Freitag, 23. September 2005

notix: kurzes reinschauen auf der virtuellen durchreise

doch doch, der autismusbeitrag kommt noch diese woche. (ein beispiel dafür, nicht zu voreilig etwas zu versprechen. bis der beitrag wirklich hier steht, sage ich dazu jetzt nichts mehr.) bis dahin noch einige fangfrische fische aus dem virtuellen infomeer.

*

ein nachtrag zum letzten beitrag:

Angesprochen auf die Reaktion des Bundeskanzlers auf das Wahlergebnis vom Sonntag, sagte der Sloterdijk: "Schröder leidet nicht an Realitätsverlust, im Gegenteil, er genießt ihn. Außerdem ist der Ausdruck ,Verlust' irreführend. Schröder hat die wichtige Entdeckung gemacht, dass es auch ohne Realität geht." Realität sei "nur ein depressives Konstrukt für Leute, die sie noch nötig haben".

realitätsfähigkeit, die immer auch etwas mit psychophysischer gesundheit zu tun hat, als kultureller selektionsnachteil - wahrlich, wir haben´s weit gebracht! und wenn die realität depressiv macht (ich erinnere nur an die zwanzig millionen packungen verkaufter antidepressiva pro jahr in deutschland), dann bist du, sind Sie selbst schuld - schließlich lassen sich ja beliebige wunschrealitäten konstruieren. ein verkappter aufruf für ein leben im permanenten wahn? ich bezweifle stark, dass sloterdijk hier ironisch sein wollte. und selbst wenn, so hat er doch unfreiwillig das realitätsprinzip aller konstruktivisten kurz und bündig umschrieben.

*

was sog. vernünftige ausgewogenheit für folgen haben kann, macht die schriftstellerin juli zeh in einem beitrag für die zeit deutlich:

"Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier soll nicht in banal-kapitalismuskritischer Absicht die Bedeutung ökonomischer Zusammenhänge für unser Leben kritisiert werden. Auch geht es nicht darum, die grundsätzliche Wirtschaftsversessenheit unserer Gesellschaft zu beklagen. Diese ist Konsequenz eines zunehmenden Pragmatismus, der wiederum denknotwendig aus dem wünschenswerten Zurücktreten ideologischer Haltungen resultiert. Trotzdem sollte sich die Politik um ihrer selbst willen davor hüten, ihre Inhalte und ihr äußeres Erscheinungsbild zunehmend in ökonomischen Angelegenheiten aufgehen zu lassen."

also, ich lese: erstens, kapitalismuskritik ist banal, wenn die totalitäre durchökonomisierung aka verdinglichung unseres lebens kritisiert wird. zweitens sollte das erst recht nicht beklagt werden. und drittens ist all das pragmatisch (eines der lieblingswörter - neben dem berüchtigten sachzwang - der sog. realisten, die allerdings seltsamerweise immer nur das als realität anerkennen, was ihnen in ihren konstruktivistischen kram passt), von daher wünschenswert. viertens aber wird der autorin bei derlei viel realität dann doch etwas unheimlich, und bitte bitte liebe politik, ein wenig regulieren und abfedern soll´s schon sein. mäh! schafe blicken auf, und schafe schreiben eben manchmal auch bücher. und schafe machen auch bocksprünge, wenn eine ideologie namens "pragmatismus" als nicht-ideologie bezeichnet wird.

*

warum nur fällt mir dazu dieses ein?

"Ein Mann darf nicht weinen", weiß er. Und so setzt er sich an den Schreibtisch und feiert die Macht, über die er nicht mehr verfügt. Stoisch rühmt er die Realpolitik, die ihn zerschlagen hat. Er preist die Treulosigkeit, die Gewalt und die Heuchelei, rechtfertigt den Erfolg der Ruchlosen, den Sieg der Grausamen und die List der Betrüger - mit einem grundlegenden Argument: So ist nun einmal das Leben."

In der Politik sei alles erlaubt, dekretiert er. Es gebe kein Gut und kein Böse - nur taugliche und untaugliche Mittel. Verwerflich sei nur der Mangel an Entschlusskraft - "dass die Menschen weder verstehen, in Ehren böse noch mit Vollkommenheit gut zu sein". Das Recht zur Grausamkeit hänge nur "davon ab, ob die Grausamkeiten gut oder schlecht angewandt sind". Und vom richtigen Timing: "Gewalttaten muss man alle auf einmal begehen, damit sie weniger empfunden werden und dadurch weniger erbittern", rät er.

ja, so ist nun einmal das leben. was für ein gnadenlos beschissener satz, der immer und immer wieder nur dazu dient, mörderische zustände zu rechtfertigen, die niemals so sein müssten, wie sie sind. die relative popularität von machiavelli gehört auch zu jenen dingen, die eigentlich alles essentielle über diese sog. zivilisation hier aussagen.

Montag, 19. September 2005

notiz: offen, ehrlich, ekelhaft

das lamento eines sog. "unternehmers", also eines angehörigen derjenigen klasse, die es geschafft hat, sich in einen quasi unantastbaren status von pseudowichtigkeit zu versetzen und sich selbst für die eigentlich vollwertigen menschen hält (von wg. führungsqualitäten und so) spricht bände - legal, illegal, kapital, heißt jetzt anscheinend die parole. und das gleichzeitige loblied des bosses (der begriff wird nicht umsonst mit gangführern aus der sog. unterwelt assoziiert und benennt das quasikriminelle und antisoziale handeln solcher leute absolut passend) auf das totalitäre china, welches sich mit einer pseudokommunistischen partei zu einem absoluten traumland für ihn und seinesgleichen entwickelt hat, zeigt nur zu gut, was diese fraktion im sinn hat - soziales aller art, das leben an sich, interessiert sie einen dreck. hauptsache, der "standort" legt dem boss als selbsterklärter krone der schöpfung keine ungehörigen steine in den weg.

*

was aber bei derartigen delegierten, wie sie sich gestern zur wahl der aufseher- und wachmannschaft der bosse stellten, auch nicht zu befürchten ist - mir scheint, ich habe gestern etwas verpasst, wenn ich das hier lese:

"Es ist viel über den Realitätsverlust der Politiker geschrieben und gesprochen worden. Gestern Abend war er zu besichtigen. Bundeskanzler Gerhard Schröder war außer sich. Sein Stellvertreter plädierte für Abbruch der Sendung, weil "heute Abend doch nichts mehr herauskommt". Er hätte genau so gut Schröder an die Hand nehmen und an zwei Herren in weißen Kitteln weitergeben können.

Da passierte das Gespenstischste, das man jemals im deutschen Fernsehen gesehen hatte. Schröder fiel ein Modul seiner Wahlkampfrede wieder ein und er spulte es ab. Mit exakt den Bewegungen, die den Text auf den Plätzen begleitet hatten. In diesem Augenblick bekam der Betrachter es mit der Angst zu tun. Es gibt in Science-Fiction-Filmen den Moment, da ein Roboter, der sich bis dahin erfolgreich für einen Menschen ausgegeben hatte, sich enttarnt. Ein solcher Moment war es als Schröder mit dieser Sätzen seiner Wahlkampfrede aufwartete. Es war ihm anzusehen, dass er die Sätze nicht dachte. Er sagte sie weniger als dass sie ihn sagten. Ein großer Augenblick in der Geschichte des Mediums Fernsehen und in der Geschichte der Bundesrepublik.

Man hat Schröder immer wieder "Medienkanzler" genannt. Gestern Abend konnte man für ein paar Minuten erleben, welchen Preis der Mensch Schröder dafür gezahlt hat. Er ist verschwunden in einer Maske und als er gestern die Maske nicht fand, da war er einfach nur noch irre und als er sie wieder fand, da konnten wir sie als Maske erkennen. Das war der Moment, da der Medienkanzler Gerhard Schröder starb. Wenn er Freunde haben sollte, so sollten sie ihn nehmen und in ein Sanatorium stecken, ihn rausholen aus seinem Rausch.

Es war auch ein Machtrausch. Auch darum war diese Sendung schrecklich. Sie zeigte, dass es Schröder nicht um den Sieg, geschweige denn um das eine oder die Deutschen quälende Problem ging. Es ging ihm einzig und allein darum, den Gegner zu schlagen. Es war ihm gleichgültig, dass er weniger Stimmen bekommen hatte als Angela Merkel. Er feierte, dass es ihm gelungen war zu verhindern, dass sie ihr Projekt hatte durchziehen können. In der Psychologie nannte man das, als man noch in solchen Kategorien dachte, einen destruktiven Charakter."


es ist einfach nur noch krass.

Freitag, 16. September 2005

notiz: dies und das

eine antwort bei somlu,

"Im Kern dieser Ideologie ist der Propaganda-Ruf nach Individualismus am lautesten, er besagt, dass man es allein schaffen kann, wenn man es nur will und unterschlägt dabei, dass es eigentlich heißt, dass du es allein schaffen musst."

damit haben Sie eigentlich alle nötigen informationen darüber gegeben, welchen charakter dieses - hm, system tatsächlich besitzt. ich würde aber das wort "individualismus" durch "vereinzelung" ersetzen, individualität kennen die leute, die derlei propagieren, nur vom hörensagen, bei ihnen handelt es sich regelmässig um simulationen davon.

klipp und klar: "alleine schaffen" müssen es regelmäßig nur strukturell oder funktionell (u.a. traumatisierte) autistische menschen. das wäre tragisch genug, wird aber zu einem kollektiven drama, wenn eine derartige weltwahrnehmung zum mainstream wird - und das ist sie bei uns bereits viel zu stark geworden."


die ich hier noch ergänzen möchte: es ärgert mich tatsächlich fast so sehr wie der völlig un-sinnige gebrauch des wortes anarchie z.b. für die zustände im post-katrinaischen new orleans, wenn das wort individualismus im zusammenhang mit der vereinzelung und verdinglichung innerhalb der westlichen kultur auftaucht. style, outfit und der besitz von (meist noch überflüssigen bis schädlichen) dingen wird hier umstandslos gemäß den feuchten träumen der marketing- und werbeabteilungen mit persönlichkeit bzw. individualität gleichgesetzt - tatsächlich gibt es wohl kaum etwas mehr konformes als menschen, die ernsthaft glauben, dass ihr eigenes design tatsächlich etwas substanzielles über ihr inneres wesen aussagen könnte. wenn es das denn tut, so kann das in einer absoluten mehrzahl der fälle nur darin liegen, dass sich die persönlichkeit über das design, über beliebige stile, so etwas wie individuelle und kollektive identitäten konstruiert und sich darüber ein realitätsgefühl verschafft - was aber wiederum nur menschen nötig haben, die bereits von inneren defiziten und schäden betroffen sind. mir sind bisher in meinem leben nur sehr wenige menschen begegnet, die tatsächlich die reife, stärke und die nötigen fähigkeiten dazu hatten, ihre individualität zu entwickeln und zu leben. innerhalb hierarchisch strukturierter gesellschaften dürften solche menschen regelmäßig eine absolute minderheit darstellen. ebenso scheint individualität oftmals mit egozentrik gleichgesetzt zu werden, was imo eine ebenfalls unzutreffende gleichung darstellt.

tja, und das "alleine-schaffen-müssen" wird uns bei den hier behandelten themen noch öfter begegnen - das bild der monade ist beunruhigend häufig an vielen ecken und enden zu finden.

*
antidepressiva als placebos?

"Die Bundesbürger kaufen pro Jahr über 20 Millionen Packungen an depressionshemmenden Medikamenten, die den Apotheken einen Umsatz von über 800 Millionen Euro bescheren."

zahlen und studien sprechen für sich.

Dienstag, 13. September 2005

notiz: "wahlspecial" - oder lass dir deine stimme nicht nehmen

ein off-topic-thema eigentlich, wobei der ganze, recht offensichtliche als-ob-charakter (nämlich die simulation und leider größtenteils erfolgreiche massensuggestion einer scheinrealität - als ob durch eine wahl zwischen unterschiedlich parfümierten und eingefärbten charaktermasken tatsächlich irgendein(e) bewohnerIn dieses landes wirklich etwas sozial konstruktives fördern könnte) dieser veranstaltung einerseits und die immerhin langsam mehr in die öffentliche aufmerksamkeit gelangende frage nach der psychophysischen verfassung der sog. "politikerInnen" andererseits nun in diesem blog auch nicht wieder sooo ot sind.

eine imo weitgehend treffende zusammenfassung von wesen und funktion dieser sog. wahlen als rituelles massenevent in sog. repräsentativen demokratien konnte ich neulich dem buch "Völker ohne Regierung. Eine Anthropologie der Anarchie" des us-amerikanischen anthropologen harold barclay entnehmen, welches ich eigentlich in einem ganz anderen kontext in die hand genommen hatte. aber ich möchte Ihnen barclays gedanken nicht vorenthalten - ein bißchen auch mit der hoffnung, dass diese gedanken quasi als antidot zur grassierenden selbstbehaupteten wichtigkeit des wahlevents wirken mögen.

"Das `Sakrament´ der Mehrheitswahl ist Teil des demokratischen Mythos. Alle paar Jahre `pilgern´ die Wähler zur Wahlurne und wählen sich mit Stimmenmehrheit eine politische Führung. Der geheime Wahlvorgang ist das heiligste Ritual der Demokraten. Anarchisten waren schon immer der Ansicht, daß dies kein echtes Anzeichen für Freiheit ist. Die Wahl von Regierenden durch Stimmenmehrheit ist eher (...) ein Trick, durch den der einzelne Wähler glauben gemacht wird, er hätte die Situation unter Kontrolle. Tatsächlich kann sich der Wähler jedoch nur für die Kandidaten einer vorher schon selektierten Gruppe entscheiden, und es gibt niemals eine Wahl zwischen Vertretern wirklich gegensätzlicher Ideologien. Der Unterschied zwischen den großen Parteien, die eine Chance haben, Wahlsieger zu werden, ist in einem westlichen Land nicht größer als der Unterschied zwischen den rivalisierenden Fraktionen innerhalb der kommunistischen Partei der Sowjetunion oder der Volksrepublik China. Niemand kann ernsthaft behaupten, daß irgendein ideologisch-philosophischer oder anderer dauerhaft traditioneller Unterschied beispielsweise zwischen den großen Parteien in den Vereinigten Staaten oder in Kanada besteht. Außerdem sollten sich die Wähler daran erinnern, daß sie Personen wählen, die für sie eine Aufgabe übernehmen sollen, daß es aber keine Garantie dafür gibt, daß diese Delegierten ihr Anliegen auch tatsächlich vertreten. Die Aufgabe der Gewählten besteht vor allem darin, Gehorsam mit Gewalt zu erzwingen. Repräsentanten in öffentliche Ämter wählen zu können heißt, eine begrenzte Wahlmöglichkeit darüber zu haben, wer uns unterdrückt.

Häufig gibt es noch nicht einmal eine Mehrheitswahl. Ein Kandidat wird für ein Amt gewählt, weil er mehr Stimmen als ein anderer Kandidat auf sich vereinigen konnte; in Wirklichkeit aber verfügt dieser Kandidat über wesentlich weniger als über die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen. Außerdem werden die Personen, die nicht wählen (bzw. nicht wählen dürfen - migrantInnen, kinder, u.a. - anm. mo)(...) nicht mit einberechnet. (es folgen einige anmerkungen zur spezifischen situation in den usa, vor allem zur dortigen, fast immer zu beobachtenden extrem geringen wahlbeteiligung)

Wir bekommen oft zu hören: Wenn du nicht wählst, hast du auch kein Recht, dich zu beschweren. Ein solches Argument geht von der falschen Annahme aus, daß eine Wahl wirkliche Alternativen bietet. Und es unterstellt diesem Vorgang fälschlicherweise auch eine Rechtmäßigkeit, die ihm nicht zukommt: ein Mensch wird aufgefordert, Autorität an eine willkürlich ausgewählte kleine Gruppe abzutreten, d.h. er wird aufgefordert, sich seine eigenen Aufseher zu wählen."

(harold barclay, "völker ohne regierung. eine anthropologie der anarchie". edition schwarze kirschen, libertad verlag, berlin 1985, s. 243 - 245; isbn 3-922226-10-8)


beim letzten satz oben, der aufforderung zur wahl der eigenen aufseher, kommen mir meine eindrücke beim betrachten diverser blogs und foren, welche sich z.zt. mit dem thema "wahlen" beschäftigen, in den sinn - der nörgelige tonfall in vielen der dortigen beiträge, die kommentierung von äußerlichkeiten der kandidatInnen und den phrasen des wahlkampfes rufen bei mir spontan immer die gleiche assoziation hervor - mich erinnert das an unglückliche kinder bei einem größeren familientreffen, bei dem eltern, onkels und tanten darüber entscheiden, bei wem die kinder denn die nächste zeit jetzt wohl hauptsächlich verbringen sollen - während die kinder irgendwo unter dem tisch oder hinter dem sofa hocken, und e i g e n t l i c h so richtig zu niemandem der anwesendem wollen und lieber ihre ruhe haben würden (bzw. vielleicht sogar eine diffuse sehnsucht nach etwas ganz anderem spüren, von dem sie sich meist nicht einmal einen begriff machen können). da die letztgenannten optionen aufgrund der realen machtverhältnisse und sogar möglicher anwendung von repressionen existenzieller art für die kinder nicht in frage kommen, wird mangels alternativen haargenau zu ähnlichen methoden der kommentierung gegriffen - "onkel gerhard ist blöd, weil der so böse guckt" "tante angela sieht komisch aus" "opa guido mag ich nicht, weil der redet so komisch" und so weiter und so fort. letztlich läuft das dann bestenfalls und zwangsweise - wenn überhaupt gefragt wird, was nicht die regel ist - auf das kleinste übel heraus, und unter mehreren kindern kann eine beliebig entstehende konkurrenzsituation sogar dazu führen, dass sich einzelne kinder zur verteidigung der ihnen aufoktroyierten bezugsperson(-en) genötigt fühlen. eine situation, wie sie vielleicht in einer strukturell lieblosen familie vorkommen mag, die ihren kindern noch eine mehr oder weniger ausreichende materielle basis bietet, ansonsten extrem wert auf formale harmonie, höflichkeit und konformität legt, und in der auch schon mal "die hand ausrutscht", wenn ein in der hierarchie unten stehendes mitglied nicht so spurt. (der satz "die familie ist die keimzelle des staates" enthält unter den lebensbedingungen der westlich-europäisch beeinflussten kulturen (incl. nordamerika) die wahrheit über eine wirklichkeit, die die menschlichen möglichkeiten der familie als ort für erfahrungen von liebe, geborgenheit, schutz, großzügigkeit und entfaltungsmöglichkeiten allzuoft real in teils krasse gegenteile pervertiert hat.)

Sie halten meine kleine analogie oben für zu weit konstruiert und an den haaren herbeigezogen? nun, drei entgegnungen darauf: erstens kann ich mich selbst tatsächlich an meine kindheit erinnern, in der nicht nur ich oft genug "die erwachsenen" so wahrgenommen habe. zweitens ist die angesprochene art der beobachteten kommentierung von zur "wahl" stehenden kandidatInnen oft genug eine, die ihrem wesen nach primär klatsch und tratsch ist - und diese ebene aber ist eine typische ebene der verdeckten und verkrümmten opposition innerhalb hierarchisch strukturierter gesellschaften (das gilt auch für familien, unternehmen...), auf der seitens der "unteren" eine weitgehend ungefährliche
"opposition" gegenüber den machthabenden stattfinden kann (der machthaber wird derart quasi wieder "vermenschlicht", auf die ebene ganz banalen - menschlichen - verhaltens und fehlverhaltens "zurückgeholt" und kann dort "kritisiert" werden.
ganz deutlich ist das in offen diktatorischen systemen zu sehen, aber strukturell unterscheidet sich unsere heutige "repräsentative demokratie" zumindest in diesem merkmal nicht allzusehr davon).
drittens möchte ich an dieser stelle auf das konzept der psychoklassen hinweisen, welches vom us-amerikanischen psychoanalytiker lloyd deMause entwickelt worden ist und eine der grundlagen der psychohistorie bildet. eine sehr komprimierte definition:

"Der Begriff `Psychoklassen´ hat einfach zur Voraussetzung, daß es verschiedene Stufen der Kinderbehandlung, des `child rearing´ in der Geschichte gegeben hat und daß eine bestimmte Art von Verhalten der Welt gegenüber nicht erreicht werden kann von Leuten auf einer sehr reduzierten Stufe von `child rearing´."

(lloyd deMause, "reagans amerika: eine psychohistorische studie", stroemfeld/roter stern, frankfurt 1987; s. 257, isbn 3-87877-208-4)


oder mit anderen worten: die behandlung, die die kinder einer gesellschaft erfahren (mittels der jeweils verbreiteten und strukturell ähnlichen erziehungsstile), prägt die selbst- und weltwahrnehmung dieser kinder, ihre sozialen fähigkeiten insgesamt - und die späteren erwachsenen prägen selbstverständlich mittels dieser inneren struktur wiederum die gesellschaft. dabei kann es durchaus in ökonomisch streng hierarchisierten gesellschaften innerhalb der daraus entstehenden sozialen klassen ziemlich ähnliche erziehungsbedingte prägungen geben, die quasi auch quer zu den ökonomischen bedingten klassenstrukturen wirksam sind, und diese womöglich sogar teilweise aufheben können (was z.b. eine erklärung für das phänomen in d-land 1932/33 sein könnte, als viele angehörige der klassenbewussten marxistisch orientierten arbeiterschaft trotz - oder vielleicht sogar gerade - wegen ihres bewußtseins von der autoritären formierung der nationalsozialisten emotional angesprochen wurden, und in der folge mit fliegenden fahnen zu den nazis übergingen. wilhelm reich dürfte der erste und damals einzige gewesen sein, der diese beobachtung als relevant verzeichnet hat und sich auf die suche nach möglichen gründen dafür aufmachte).

deMause hat sein konzept lange vor der in der zweiten hälfte der 1990er jahre beginnenden hochphase der psychotraumatologischen forschung entwickelt, die ihn in gewisser weise stützt, was den einfluß von negativen destruktiven erlebnissen und prägungen bei kindern im hinblick auf das spätere leben angeht. wie bei dieser jedoch ist auch bei ihm die fehlende aufmerksamkeit für die wichtigkeit der pränatalen phase aus meiner sicht als wesentlicher kritikpunkt anzumerken.

*
ansonsten möchte ich noch ein paar worte zu barclays einschätzungen demokratischer wahlen loswerden. mich stört lediglich das wort
"ideologisch" hinsichtlich der fehlenden unterschiede zwischen den sog. politischen parteien. unterschiedliche ideologische fragmente existieren imo schon, wobei es vielleicht zutreffender wäre, diese als oberflächlich zu benennen. tatsächlich sind aber sämtliche existierenden parteien nur dann als "legal" definiert, wenn sie sich innerhalb vorgegebener grenzen bewegen - und wenn diese vorgegebenen grenzen in zeiten wie heute immer enger gezogen werden (was z.b. ganz zentral grundsätzliche fragen nach menschenwürde, materiellen existenzsicherungen, umgang mit asylsuchenden und anderes betrifft), bekommen die parteien insgesamt einen blockähnlichen charakter, der bereits totalitäre elemente enthält - eine art front, in der die anscheinend widerstreitenden positionen sich nur noch in verschiedenheiten bezgl. irgendwelcher detailfragen ausdrücken, wie diese und jene sache denn jetzt genau zu regeln ist. ein absolutes tabu ist es jedoch, grundsätzlich strukturelle eigenschaften der sozialen und ökonomischen verhältnisse überhaupt zu thematisieren, jedenfalls für die protagonistInnen der "demokratischen parteien" (die rechtsextremen scheinen dieses tabu zu berühren, wobei es sich jedoch auch nur um eine als-ob-aktion handelt - sie wollen vor allem eine offene zuspitzung der vorhandenen hierarchischen strukturen erreichen, nicht ihre grundsätzliche veränderung. zynisch könnte gesagt werden, sie sind ehrlicher, was die forderungen nach gewalt, zwang und repressionen angeht - die programme und aktionen der sog. demokratischen parteien laufen faktisch auf ähnliche resultate hinaus, werden aber durch sog. "vernünftige argumente" kaschiert, und sind dazu noch recht unsicheren ethischen und moralischen normen teilweise unterworfen, die zumindest oberflächlich berücksichtigt werden müssen. genau darauf verzichten die faschisten fast völlig, machen das als verächtliche schwäche der "systemparteien"aus und ziehen vermutlich aus diesem kontrast die rolle der "einzigen echten opposition", die sie sich gerne selbst geben, und in der sie von entsprechend disponierten persönlichkeiten dann aufgrund dieses kontrastes in der erscheinungsform auch so wahrgenommen werden. dabei könnten sie mit entsprechendem personal, welches zum glück nicht vorhanden scheint, mit ihren erwähnten offenen forderungen durchaus relevante teile heute vorhandener psychoklassen ansprechen, die sich ebenfalls noch wie ihre vorfahren und von ihnen quasi "geerbt" in einer verfassung befinden, in der u.a. sicherheit durch unterwerfung eine lebensmaxime bildet).

die abwehr dieses wirklich großen übels - einer offen faschistischen machtergreifung mittels wahlen, die aber glücklicherweise momentan keine realistische option ist - stellt für mich persönlich den einzigen grund dar, der mich dazu bewegen könnte, aus dem vorhandenen angebot von parteien zu wählen. ansonsten sehe ich nur einen haufen argumente gegen die aufforderung, mittels der abgabe der eigenen stimme (manchmal ist sprache wirklich sehr deutlich...) doch gefälligst meine eigene zukunft und die der hiesigen gesellschaft "mitzubestimmen". ich habe seit den zeiten von helmut schmidt in den 1970ern recht bewußt alle bisherigen regierungen mitbekommen - und es macht wirklich keinen qualitativen unterschied aus, welche farben nun gerade die regierung stellen.

ob es die installierung eines quasi-ausnahmezustands zu zeiten der raf durch eine spdfdp-regierung war; kohls "geistig-moralische wende", die u.a. zu beginn der 1990er jahre zu den ersten pogromen seit der ns-zeit in d-land führte; ob es sich um die gewöhnung an weltweite kriegseinsätze deutscher soldaten handelt, die sich rotgrün zurechnen lassen muss; ob es um die etablierung eines zum alltag gewordenen rassistischen und faschistischen straßenterrorismus´ seit über einem jahrzehnt geht, der mittlerweile über 130 todesopfer und unzählige verletzte gefordert hat; ob es um die ständige beschwörung der "inneren sicherheit" (auch das ist eigentlich ein sehr deutlicher und treffender begriff, wenn mensch sich deutlich macht, um was für ein "innen" es hier womöglich geht) in trauter eintracht mit der demontage etlicher grundrechte geht; ob es die unendliche liste der skandale und skandälchen ist, die sich als unbedingte "lauter individuelle einzelfälle, bei denen es sich immer nur um menschliche verfehlungen handelt", seit jahrzehnten wie perlen auf einer kette aufreihen (wer erinnert sich noch?...die neue-heimat-affäre, flick und die parteispenden, lambsdorff, imhausen, wieder parteispenden, kohl und die "erinnerungslücken", die "jüdischen vermächtnisse" des roland koch undundund...) - es löst bei mir ein gefühl puren widerwillens aus. im gegensatz dazu ist deutlich, dass all jene sozialen und kulturellen, eher positiven veränderungen in den letzten jahrzehnten das ergebnis von sozialen und kulturellen basisbewegungen und deren kämpfen waren und sind - die grünen sind ursächlich weder für atomausstieg noch für die homoehe verantwortlich, sondern treten als unberechtigte erben der erwähnten kämpfe auf (ohne damit diese veränderungen, zu denen ich durchaus teils sehr ambivalent fühle, jetzt im einzelnen bewerten zu wollen). wenn ich dazu die kläglichen, bestenfalls blassen bis offen abstoßenden gestalten des politikbetriebes anschaue, ihre starre, ihre narzisstischen schauspielkünste und ihre kalkulierten und inszenierten emotionalen momente - dann, ja dann frage ich mich wirklich, wie menschen mit auch nur halbwegs klarem verstand und emotionalen fähigkeiten ernsthaft in erwägung ziehen können, an dieser farce am nächsten sonntag mitzuwirken. machtverhältnisse sind nicht nur einseitig, und anderswo in diesem blog steht schon geschrieben, dass selbst der übelste soziopath nicht auf dauer gegen den widerstand von vielen mit seinem treiben durchkommen kann - ignoranz, unwissenheit, gleichgültigkeit und falsch verstandene toleranz sind zu oft in der geschichte bereits für die schlimmsten menschengemachten zustände mitverantwortlich gewesen.

*
in diesem sinne ist und bleibt das hier der einzige beitrag zu diesem event - es ist in all den erwähnten facetten nur ein symptom. und die antwort auf die frage, wer sich nach dem spektakel zum "sieger" erklären darf, ist letztlich so belanglos wie eine erneute meisterschaft von bayern münchen.

Montag, 12. September 2005

notiz: ein nachtrag...

steht noch aus - und zwar der hinweis auf das schwerpunktthema neurowissenschaften/hirnforschung in einer taz-ausgabe von anfang september. die tendenz der artikel ist deutlich kritisch, und vor allem das thema "freier wille" steht im mittelpunkt der diskussion. da ich mich bei meinen argumentationen und quellenangaben auch immer wieder auf ergebnisse genau dieses wissenschaftszweiges beziehe, ist daher auch die kritik an grundsätzlichen theoretischen positionen der neurowissenschaften wichtig. als bestandteil der westlichen wissenschaft weisen sie genau die gleiche paradoxe widersprüchlichkeit auf wie alle anderen entsprechenden wissenschaftlichen richtungen, sind jedoch durch ihr eigenes arbeitsgebiet quasi "näher dran" am widerspruch - und es wird interessant sein zu sehen, was eine strukturell autistische disziplin in den nächsten jahren unter anderem genau zu diesem thema autismus erarbeiten wird. und wie die schlußfolgerungen aus den arbeitsergebnissen lauten werden.

Samstag, 10. September 2005

notiz: eine antwort

da dieser kommentar zu meinem letzten beitrag unten doch so einiges enthält, was imo für die hier diskutierten themen von belang ist, möchte ich in einem extrabeitrag darauf antworten.

*

Ich verstehe Ballards Äußerungen nicht dahingehend, daß der Mensch eine Bestie sei oder ein inneres Tier enthalte, das gezähmt werden müsse, sondern nur als Reaktion auf die Naivität jener vermeintlich aufgeklärten Denker, die in Opposition zur Kirche (der Mensch sei nur böse) das andere Extrem (der Mensch sei nur gut) gepredigt haben und heute noch predigen.

hm, egal unter welcher perspektive ich ballards position auch betrachte: in meinen augen bezieht er sehr deutlich die kritisierten positionen, egal ob er davon redet, dass "der mensch" nicht "komplett zivilisierbar" wäre, oder auch ein "bedürfnis" nach "sinnloser gewalt" suggeriert. er kritisiert natürlich auch die sog. aufklärung aus diesen positionen heraus - aber eben mit einer imo falschen und unberechtigten begründung (ich kritisiere "die aufklärung" auch, aber mit einer anderen intention).

Richtig ist, daß jeder Mensch beides zugleich ist und auch unter den allerbesten gesellschaftlichen Verhältnissen ständig seine Mitmenschen frustriert.

zum ersten punkt: hätten Sie statt "ist" "besitzt optionen in richtung sozial konstruktives wie destruktives verhalten, die jeweils durch individuelle wie kollektive psycho-bio-soziale einflüsse getriggert werden" geschrieben, wäre es inhaltlich imo zutreffender. die verbreitete rede davon, dass es ja in uns allen "engelchen und teufelchen" geben würde, ist zu ungenau und zu kurz gedacht. und dient nebenbei, so meinem eindruck, auch als selbstberuhigungspille. zum zweiten aber: unglück, schmerz, frustrationen und leid gehören zum leben dazu, sicherlich. aber es gibt imo einen entscheidenden unterschied zwischen menschengemachtem - und in aller regel nicht notwendigem unglück und bspw. der trauer über den unausweichlichen tod von geliebten menschen, oder auch die schmerzen, die krankheiten oder naturkatastrophen auslösen können (in diesem zusammenhang ist es imo auch interessant, dass in der psychotraumatologie immer und immer wieder auf relevante merkbare unterschiede zwischen traumata bspw. durch eine naturkatastrophe oder einen unfall auf der einen und den folgen von sog. man-made-violence auf der anderen seite hingewiesen wird - folgen, die sich deutlich in unterschiedlichen schweregraden von symptomen und auch in den unterschiedlichen prognosen für beide gruppen von betroffenen niederschlagen. nichts verletzt mehr, als zwischenmenschliche gewalt - und wenn sie gar von sog. vertrauenspersonen, wie z.b. familienmitgliedern ausgeht, sind die folgen noch verheerender. was für mich bedeutet, dass ethisch-moralische fragen, die schuldfrage u.a. einen unterschied machen, der sich womöglich sogar neuroanatomisch manifestieren kann.)

um aber wieder zurückzukommen: frustrationen entstehen dabei eigentlich erst - und vielleicht nur - dann, wenn die in uns angelegten möglichkeiten eines konstruktiven umgangs damit (der imo auch durchaus aggressives verhalten, nicht gegen sich selbst oder andere, sondern einfach als ausdrucksmöglichkeit von schmerz und wut, enthalten kann), nicht oder nur unzureichend gefördert, aktiviert und auch toleriert werden. in dieser kultur wird diesen optionen immer noch zu oft rein repressiv und angstbesetzt begegnet.

Paart sich ein Menschenmann mit einer Menschenfrau, frustriert er damit andere Menschenmänner und -frauen. Erlegt er ein Wild, frustriert er denjenigen, der keines erlegt hat. Will sich eine Menschenfrau nicht mit einem Menschenmann paaren, fühlt er sich zurückgesetzt. Paart er sich dennoch mit ihr, fühlt sie sich vergewaltigt.

ich halte diese beispiele für ziemlich konstruiert, ganz ehrlich gesagt. wir leben zum großteil in der westlichen welt nicht mehr unter solchen bedingungen. und Ihre implizite begründung von vergewaltigungen in Ihren sätzen gefällt mir erst recht nicht - vergewaltigungen entstehen nicht, bzw. nicht primär, aus einem gefühl von zurücksetzung. dazu: eifersucht (mal als frustration betrachtet) ist zwar emotional aufrüttelnd, muss aber imo weder für die betroffene person selbst noch für andere menschen diese teils so drastischen folgen bis hin zu morden haben, wie wir sie immer wieder vorgesetzt bekommen. ich hatte es im anderen beitrag schon erwähnt: selbstregulation ist der begriff für fähigkeiten, sich auch in komplexen, schwierigen bis schmerzhaften sozialen situationen angemessen und nicht destruktiv, aber selbstbewußt und angemessen zu verhalten und behaupten zu können.

Gebiert sie ihre Kinder, so setzt sie diese dem Geburtstrauma aus.

das stimmt schon faktisch nicht. ob ein geburtstrauma entsteht, ist voll und ganz von vielfältigsten sozialen einflüssen abhängig, und keine determinierte geschichte. dabei spielt das verhältnis einer gesellschaft zu ihren frauen und kindern, zu schwangerschaft und geburt, ihr dominantes weltbild, das wissen über die bedeutung der pränatalen phase und etliches mehr eine rolle. lesetipp dazu: die arbeiten von jean liedloff.

(...)Wie ambivalent der Mensch (und nicht nur er!) ist, zeigt bereits das Wort Aggression. Das Verb, aus dem es entstanden ist, bedeutet nämlich im Lateinischen zweierlei: 1. freundlich auf jemanden zugehen, 2. feindlich auf jemanden zugehen.

das in "unserer" kultur, und drastischer womöglich noch in den usa, aggressionen grundsätzlich als negativ geächtet sind und viele menschen angst vor ihren eigenen aggressionen und denen der anderen haben; trotzdem die bösartigsten verbrechen der planetaren historie eben innerhalb dieser kultur entstanden sind - ist das nicht gerade eher als beleg für ein grundsätzliches ungleichgewicht zu sehen, welches produziert ist und wird, aber eben auch in solchen argumenten wie von Ihnen (oder auch ballard) als quasi natürliche determinierung ausgegeben wird?

Dies ist auch die Ambivalenz der Sexualität. Auch der allerfriedlichste Mensch kann unter den allerbesten Verhältnissen nie nur gut sein.: was bedeutet, daß jede Gesellschaft tatsächlich Mittel und Wege finden muß, die notwendigerweise überall schwelenden Aggressionen in Schach zu halten.

genau das meinte ich in meinem letzten absatz - die "schwelenden aggressionen", die "in schach" zu halten sind. ich behaupte, dass ein solcher zustand erst dann eintreten kann, wenn das kind sozusagen schon in den brunnen gefallen ist. und der einzelne mann und die einzelne frau bereits grundsätzlich in eine opposition zu sich selbst getrieben worden sind, mithin die elementare spaltung stattgefunden hat (es gibt nicht nur eine innere spaltungsmöglichkeit, aber diese mitsamt dem folgenden mißtrauen gegen sich selbst - was übrigens auch einen grundsätzlichen angriff gegen die eigene liebesfähigkeit unweigerlich zur folge hat - scheint mir die zentrale zu sein).

der umgang mit aggressionen negativer art kann imo vielleicht sogar auch durchaus mit spielerischem ernst stattfinden und ein tatsächliches, aber nicht sozial zerstörerisches ausagieren bedeuten.

Daß diese simplen Tatsachen so lange vernachlässigt wurden, hat viele Gründe, hängt aber nicht zuletzt mit der Verkitschung der Sexualität zur Liebe zusammen. Daß auch der allerliebste Mensch, wenn er sich mit einem anderen allerliebsten Menschen paart, nicht nur love & peace zelebriert, hat den Obernarzißten Wilhelm Reich (von dem jeder gebildete Pädo weiß, weshalb er sich so wunderbar auf ihn berufen kann) und seine Jünger nie gestört. Sie haben die Sexualität zum Guten schlechthin hochstilisiert: und damit etwas zur Religion erhoben, wovon die Menschen früherer Zeiten sehr viel mehr wußten: nämlich daß es immer auch frustrierend, also 'böse' ist und gar nicht anders sein kann, sogar für ein 'glückliches' Paar. Post coitum omne animal triste.

verkitschung? ich glaube eher, dass in diesen kulturellen formen, die Sie dazu vermutlich im sinn haben, eher eine verstümmelte und verzerrte, mehr geahnte als bewußte sehnsucht nach etwas zum ausdruck kommt, was ich als grundsätzlich andere möglichkeit des lebens bezeichnen möchte. in bezug auf sex: liebevoller sex kann auch wild sein; lust muß nicht zwangsläufig daran gebunden sein, dass sich zwei menschen gegenseitig zu objekten machen und ihre lustgefühle letztlich aus macht- bzw. ohnmachtsgefühlen oder den re-inszenierungen solcher situationen holen müssen (was vielleicht am deutlichsten in s/m-praktiken zu sehen ist, die imo fast nichts mit sexualität, aber fast alles mit machtverhältnissen zu tun haben. lesen Sie einmal in borderline-foren zu diesem thema, ist eine lehrreiche erfahrung).

reich wird imo übrigens bis heute mißverstanden, wobei er tatsächlich den fehler gemacht hat, den sex als metapher für psychophysische entladung schlechthin zu setzen. dazu ist sein modell recht mechanistisch, und trotzdem hat er meiner meinung imo etwas sehr richtiges und wichtiges eher intuitiv erfasst, nämlich die zusammenhänge innerhalb der "körperpsyche" (als zwei seiten ein und der gleichen struktur gedacht, mir fällt kein anderes wort dafür ein) als basis für jedwede soziale machtverhältnisse zu begreifen.

Und noch etwas anderes haben die Menschen früherer Zeiten sehr genau gewußt. Das Wort Teufel kommt bekanntlich von diabolos; und der diabolos ist der Entzweier. Als 'böse' gilt alles, was die Menschen entzweit. Und wie sehr wir auch das Leben preisen mögen: Fakt ist, daß es mit einem äußerst schmerzhaften Akt der Entzweiung beginnt; mit einem Trauma also, das die Grundlage der Borderline-Struktur jedes Menschen und damit auch jeder menschlichen Gesellschaft ist. Zumal die monotheistischen Religionen sind ein Versuch gewesen, sich diese Struktur zu erklären. Wohin sie uns geführt haben, wissen wir. Doch im Kern sind diese Religionen realistischer als die Religion der Aufklärung: eben weil sie die Ambivalenz des Menschen anerkannt haben. Darin steckt ihre Weisheit, mit der die meisten Religiösen aber genausowenig leben können wie mit den Weisheiten der Aufklärung.

zum geburtstrauma und dessen nichtnotwendigkeit habe ich weiter oben schon etwas gesagt. daraus eine grundsätzliche borderline-struktur abzuleiten, ist imo einmal von der sache her unberechtigt, zum anderen aber auch zu simpel gedacht.

Fazit: De facto steckt in jedem Menschen und in jeder menschlichen Gesellschaft etwas ungeheuer Destruktives.

und damit geben Sie perfekt das wieder, was ich im ursprünglichen beitrag als vielleicht erfolgreichste ideologie aller zeiten benannt habe - dieses destruktive wird durch soziale verhältnisse produziert, und das lässt sich mittlerweile immer besser verstehen. im übrigen ist es eine typische anmaßung der westlichen kultur, die eigene deformierung gleich als anthropologische konstante und damit als allgemeingültiges zu setzen - nicht in allen bekannten menschlichen gesellschaften auf diesem planeten waren (und sind) mord und totschlag etwas unausweichliches. das ist schlicht und einfach eine lüge! aber diese kultur hier weigert sich bis heute, diese fakten mit ihren konsequenzen anzuerkennen - dann müsste sie nämlich genau die tatsache, dass sie selbst das bösartige potenzial produziert, welches sie heuchlerisch beklagt, als realität anerkennen - und damit wäre sie erledigt.

Und wie man es auch nennen mag: es muß von jeder Gesellschaft in Schach gehalten werden, weil es den Frieden auf Erden nicht geben kann, sondern im kleinen wie im großen bestenfalls ein Gleichgewicht des Schreckens. Damit müssen wir leben. Und wer diese von Schopenhauer am besten dargestellte Realität anerkennt, kann auch damit leben. Wer jedoch meint, das Böse leugnen oder eliminieren zu können, hat uns noch immer Krieg & Terror gebracht.

zu Ihren schlußfolgerungen sei gesagt, dass ich sie - selbstverständlich - nicht teile. aber im letzten satz sprechen Sie einen wichtigen punkt an. wobei es sich dabei auch eher um das produkt einer spaltung handelt, die ebenfalls sozial produziert wird. ich leugne nicht die existenz von destruktiven energien, strukturen und verhaltensweisen in dieser gesellschaft, und versuche auch nicht, sie als etwas grundsätzlich fremdes von mir fernzuhalten. gerade aber dieser versuch, sich selbst als qualitativ gutes zu konstruieren (und damit von außen implantierten selbstbildern und befehlen zu entsprechen, unter akzeptanz des verlustes des eigenen selbst) - gerade dieser versuch ist ursächlich an dem von Ihnen erwähnten ständigen "krieg gegen das böse(TM)" beteiligt und stellt imo eine quelle dafür dar. aber auch das hat eben nichts mit einer, auch von Ihnen implizit behaupteten, zutiefst negativen und destruktiven "natur des menschen an sich" zu tun. kein baby (mit einigen ausnahmen, die noch thema sein werden, aber ebenso etwas mit den sozialen verhältnissen zu tun haben) kommt zur welt mit derartigen antisozialen und destruktiven verhaltensweisen, wie sie in dieser kultur seit jahrhunderten - und verstärkt und perfektioniert seit der sog. wissenschaftlichen aufklärung - zu beobachten sind. diese aufklärung ist selbst eher mit ihrer einseitigen betonung auf vernunft und verstand eine quelle des problems, sie produziert es mit - aber anstatt das anzuerkennen, wird lieber in schlechtester mystifizierender tradition das grundsätzlich "böse" im menschen beschworen - und damit das eigene nichtstun gerechtfertigt, die eigene verantwortlichkeit negiert. und mit Ihrer argumentation machen Sie aus meiner sicht nichts anderes.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

US-Depeschen lesen

WikiLeaks

...und hier geht´s zum

Aktuelle Beiträge

Es geht ihm gut? Das...
Es geht ihm gut? Das ist die Hauptsache. Der Rest...
Grummel (Gast) - 23. Jan, 21:22
Im Sommer 2016 hat er...
Im Sommer 2016 hat er einen Vortrag gehalten, in Bremen...
W-Day (Gast) - 23. Jan, 14:49
Danke, dir /euch auch!
Danke, dir /euch auch!
Grummel - 9. Jan, 20:16
Wird er nicht. Warum...
Wird er nicht. Warum auch immer. Dir und wer sonst...
Wednesday - 2. Jan, 09:37
Ich bin da, ein Ping...
Ich bin da, ein Ping reicht ;) Monoma wird sich...
Grummel - 15. Sep, 16:50
Danke, Grummel. Das Netzwerk...
Danke, Grummel. Das Netzwerk bekommt immer grössere...
Wednesday - 13. Sep, 10:02
Leider nicht, hab ewig...
Leider nicht, hab ewig nix mehr gehört.
Grummel - 12. Sep, 20:17
Was ist mit monoma?
Weiss jemand was? Gruß Wednesday
monoma - 12. Sep, 14:48
Der Spiegel-Artikel im...
Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: https://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
iromeister - 12. Jun, 12:45
Texte E.Mertz
Schönen guten Tag allerseits, ich bin seit geraumer...
Danfu - 2. Sep, 21:15

Suche

 

Status

Online seit 7314 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:01

Besuch

Counter 2


assoziation
aufgewärmt
basis
definitionsfragen
gastbeiträge
in eigener sache
index
kontakt
kontext
lesen-sehen-hören
notizen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development